Der Tagesspiegel: Gespräch mit Festivalleiter Thierry Frémaux zur Eröffnung der 57. Filmfestspiele Cannes
Berlin (ots)
Im Gesprächt mit dem "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe) hat sich Thierry Frémaux, künstlerischer Leiter des Filmfestivals von Cannes, begeistert über die Berlinale geäußert: "Die Berlinale ist einzigartig - als Festival in einer großen Stadt mit normalem Publikum. Berlin zeigt, dass ein Festival mehr sein muss als bloß Business". Es gebe zwischen den Festivals keine Gold-, Silber- und Bronzemedaillen: "Ich bin gegen Hierarchien. Wir haben alle unseren Stil. Cannes 2003 wurde zwar ausgebuht, und viele sagten, das ist nicht mehr die Nummer eins. Aber sind wir hier bei der Tour de France oder bei den Champions League? Dieses Jahr geht es uns ums Vergnügen, um Energie. Und ich hoffe, um gutes Kino." Auch was den deutschen Film betriftt, der mit Hans Weingartners "Die fetten Jahre sind vorbei" zum ersten Mal seit elf Jahren wieder im Wettbewerb von Cannes vertreten ist, gebe es zwischen den Festivals bestenfalls einen "produktiven Wetteifer": "Ich finde es gut, wenn deutsche Filme, die im Januar fertig sind, auf der Berlinale laufen. Weingartners Film war eben für Cannes fertig. Selbst Dieter Kosslick freut sich, wenn deutsche Filme auch hier zu sehen sind. Wir arbeiten ja für das Kino, nicht für eine Nation." Er freue sich sehr über Weingartners Film: "Er vertritt eine deutsche Nouvelle Vague." Sein Verhältnis zu seinem langjährigen Vorgänger und jetzigem Festival-Präsidenten Gilles Jacob, dem viele noch großen Einfluss auf das Programm nachsagen, bezeichnete Frémaux als gut: "Wir sind aus zwei verschiedenen Generationen, ich achte und schätze Gilles sehr. Außerdem war von Anfang an klar, dass meine ersten Jahre als eine Art Ausbildung zählen. In diesem Jahr hat er keinen einzigen Film mehr gesichtet." Zur diesjährigen Wettbewerbs-Auswahl sagte Frémaux: "Meine Aufgabe ist es, Begegnungen mit Kusturica, Almodóvar etc. zu arrangieren, aber auch die Jungen zu finden." Diesmal seien zwölf neue Namen im Wettbewerb, zwei Drittel der Teilnehmer. Nach der Krise des Vorjahrs, in dem die Filmfestspiele viel Kritik geerntet hatten, scheine es nun aufwärts zu gegen. Laut Frémaux gibt es in allen Sparten mehr Akkreditierungen, das Programm werde gut aufgenommen. "Cannes hatte zu viel Routine entwickelt. Jetzt ist die Neugier wieder da."
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel
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