Der Tagesspiegel: Scharfe Kritik an deutsch-französischer Industriepolitik
Berlin (ots)
Der frühere Wettbewerbskommissar der EU, Karel van Miert, hat die industriepolitischen Pläne Frankreichs und Deutschlands scharf kritisiert. Dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe) sagte van Miert, dahinter verberge sich nur der Versuch, alte Wirtschaftstrukturen "auf künstliche Art und Weise zu erhalten. Und am Ende ist es doch aus". Frankreichs Regierungschef Jaques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder wollen sich am 14. Juni in Aachen auf gemeinsame industriepolitische Ziele verständigen.
Der Fall Alstom zeige, dass "bei Schwierigkeiten sofort die öffentliche Hand zur Hilfe gerufen wird", sagte van Miert. Paris will aus dem Verkehrs- und Elektrokonzern einen europäischen Industriechampion machen. Zeitweise sah es so aus, als sollte Siemens daran beteiligt werden. Doch das Alstom-Management lehnte Siemens als Partner ab. Van Miert wundert das nicht, denn der französischen Regierung gehe es nur darum, "das Unternehmen mit öffentlichen Mitteln unter französischer Kontrolle zu halten". Der amtierende Wettbewerbskommissar Mario Monti habe mit seinen Auflagen für die Milliarden schwere Staatssubventionen dagegen erreichen wollen, "auf marktkonformem Wege einen europäischen Champion zu bilden".
Van Miert forderte die Regierungen in Paris und Berlin auf, sich mit "politischen Verabredungen" zurückzuhalten. Harsche Kritik übte er auch an der Idee der beiden Staaten, einen neuen Superkommissar für Industrie- und Wettbewerbspolitik in Brüssel zu installieren. Im Gespräch dafür ist EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen. "Das ist eine schlechte Idee", sagte van Miert. Wettbewerbspolitik sei dazu da, Gesetze und Spielregeln einzuhalten. "Das ist kein politischer Kuhhandel." Europa brauche auch in Zukunft eine starke Wettbewerbspolitik. "Das ist sicher nicht im Sinne der Franzosen." Auch die Deutschen neigten immer häufiger dazu, die Wettbewerbsregeln auszusetzen. "Viele Regierungen in Europa drücken nicht nur ein Auge, sondern gleich zwei Augen zu."
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