Der Tagesspiegel: "Der Tagesspiegel" Berlin meint zu den Bildern aus Asien:
Berlin (ots)
Auf den Tag vor einem Jahr bebte die Erde bereits mit tausenden Toten, fernweg im iranischen Bam. Geographisch liegt Südostasien noch ferner, doch die jüngste Katastrophe dort scheint uns gespenstisch näher, geht uns nun heftiger an. Natürlich hat das mit den begehrten Feriengebieten zu tun und noch mehr mit den vielen, bis heute kaum zählbaren Opfern auch unter deutschen Touristen. Die Sintflut hat, wo nicht nach Angehörigen, so doch nach Mitbürgern gegriffen. Das verstärkt das Mitgefühl. Das Leid anderer betrachtend, droht der Blick indes durch die Opfer hindurch zu gehen. Dass wir Voyeure sind, gehört von Anfang an zur bildenden Kunst, zum Journalismus, zur menschlichen Natur und Neugierde. Ohne Zeigen und Sehen in Bildern und Worten keine Zeugenschaft, kein Mitwissen und Mitgefühl, keine Aufklärung oder Erinnerung. Trotzdem fragt man sich, ob Menschen in jeder Situation von Kameras und Mikrophonen bedrängt werden müssen. Entsetzlicher als die Bilder der Getöteten sind mitunter die Nahaufnahmen des indischen Fischers oder der indonesischen Bäuerin, die gerade ihre Kinder, ihren Partner, ihre Mutter beweinen. Nicht dass das Medium zur Botschaft wird, ist ja die Gefahr, sondern dass die mediale Botschaft zum Ersatz des Realen wird. Die Kehrseite solcher Gefahr aber ist der schiere Gewinn. Ohne die modernen Kommunikationstechniken bliebe das Ferne noch fremder, und man könnte wie Goethes Bürger im Faust" noch mit sicherem Behagen sagen, was geht's uns an, wenn hinten, weit in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen". Das ist vorbei. Wenn Menschenrechte massiv verletzt werden oder wenn Naturkatastrophen daran erinnern, dass dieser Planet unser einziger, sehr verletzlicher Ort ist, dann wächst mit der Globalisierung der Bilder und Berichte auch die universelle Verantwortung.
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel
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