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Der Tagesspiegel: "Der Tagesspiegel" Berlin meint zu Köhlers Israelreise

Berlin (ots)

40 Jahre deutsch-israelische Beziehungen werden
dieses Jahr gefeiert. Und wenn Bundespräsident Horst Köhler morgen
vor der Knesset spricht, dann darf man doch ein wenig erstaunt
darüber sein, welch feste Bindung aus den ersten zaghaften,
skeptischen Annäherungen entstanden ist. Skepsis nicht nur in der
israelischen Bevölkerung, die sich lange schwer tat, an ein neues
Deutschland zu glauben. Skepsis auch auf der deutschen Seite, die
peinlich lange gezögert hatte, Israels Angebot zur Aufnahme
diplomatischer Beziehungen anzunehmen. In einer einsamen Entscheidung
hat sich Kanzler Ludwig Erhard dann über Befürchtungen hinwegsetzt,
die arabischen Staaten könnten im Gegenzug die DDR anerkennen.
Beziehung hat sich für beide Seiten gelohnt. Für Israel, weil der
isolierte Staat einen wichtigen und treuen Fürsprecher auf
europäischem und internationalem Parkett gewann. Und für Deutschland,
weil die Verbesserung der Beziehung zu Juden und zum jüdischen Staat
so etwas wie das Entréebillet war für die Wiederaufnahme in den Kreis
der demokratischen Nationen. Auf eine stille, meist hinter den
Kulissen wirkende Weise wurde Deutschland zum wichtigsten Verbündeten
Israels nach den USA. Die offiziellen Beziehungen waren selten so gut
wie heute, zumal, da der Friedensprozess wieder in Gang kommt.
Dennoch sollte man nicht verschweigen, dass die letzten Jahre zu
einer Entfremdung beider Gesellschaften geführt haben. Viele gerade
jüngere Deutsche haben wenig Verständnis für die anhaltende Besetzung
palästinensischer Gebiete und die Politik der harten Hand, mit der
die Regierung Scharon den palästinensischen Terror versuchte
einzudämmen. In Israel sind viele enttäuscht, dass das pazifistisch
gestimmte Europa nicht sehen wollte, wie existenziell sich die
Israelis von der Terror-Intifada bedroht fühlten. Dass in manchen
linken Zirkeln in Europa der Staat Israel wieder in Frage gestellt
wird, Holocaust hin oder her, ist den Israelis auch nicht entgangen.
Das Einstehen für das Existenzrecht Israels wird Staatsräson und
Grundlinie deutscher Außenpolitik bleiben. Genauso ist aber
abzusehen, dass die moralische und emotionale Bindungskraft der
Geschichte abnehmen wird. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die
deutsch-israelischen Beziehungen nicht nur auf die Vergangenheit
gegründet bleiben. Eine gemeinsame Zukunft aufzubauen heißt nicht,
auf Kritik zu verzichten. Aber ein wenig mehr Empathie dürfte schon
sein mit dem Volk, das wir Deutsche einst aus Europa vertrieben
haben.
Inhaltliche Fragen richten Sie bitte an den Tagesspiegel, Ressort
Meinung, Tel: 030-26009-444
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Thomas Wurster
Chef vom Dienst
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
Email: thomas.wurster@tagesspiegel.de

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