Der Tagesspiegel: Thierse kritisiert Talk-Shows
Berlin (ots)
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält nicht viel von den politischen Talkshows im deutschen Fernsehen. In einem Interview mit dem "Tagesspiegel" (Ausgabe vom 12. Mai) sagte er: "In der Talkshow muss man in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Punkte machen, Lacher oder Beifall erheischen, egal, was die anderen sagen. Es sind ja Shows, keine Gespräche zur Sache." Thierse selbst schaltet Talkshows "manchmal ein, wenn die Zusammensetzung der Runde vielversprechend erscheint". Allerdings erfährt der Bundestagspräsident "fast nie etwas Neues". Von einer generellen Fernseh- oder Medienschelte ist der Politiker aber so weit entfernt wie von der Forderung von Rainer Barzel (CDU) und Helmut Schmidt (SPD), die in einem Beitrag für die "FAZ" die heutigen Politiker aufgefordert haben, die Talkshows generell zu meiden. Thierse: "Natürlich tragen Politiker wesentlich Verantwortung dafür, wie Politik in den Medien erscheint. Andererseits aber ist demokratische Politik auf Medien angewiesen: Ob Argument oder Person, immer gilt, was in den Medien, namentlich dem Fernsehen, nicht erscheint, existiert nicht." Welcher Politiker also könnte oder dürfte sich dem Fernsehen ganz entziehen, "wenn er überhaupt noch die Chance behalten will, sich und seine Argumente wirksam bekannt zu machen!" Das Fernsehen sei nun ein besonders flüchtiges und oberflächliches Medium, das zu wenig Zeit für sorgfältige Güterabwägungen und aufwändige Zielkonflikte habe. "Insoweit entspricht es nicht den Erfordernissen, die an demokratische Meinungsbildung gestellt werden müssen. Aber: Es gibt ja zum Glück noch Zeitungen!", sagte Thierse. Die These von Barzel und Schmidt, die zumeist negativen Themen von Talkshows würden die schlechte Stimmung in Deutschland , erweitert Thierse auf alle Medien: "Alle Massenmedien haben eine Tendenz zum Empörungsjournalismus, unterhalb von ,Wirbel', "Skandal' und Weltuntergang geht da nichts. Und gute Nachrichten verkaufen sich angeblich schlecht. Die schlechte Stimmung ist sicher auch davon beeinflusst", sagte Thierse.
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