Der Tagesspiegel: Anstieg der Arzneiausgaben setzt sich fort - Barmer-Chef: Auch im Januar Steigerungen um 13 bis 14 Prozent
Berlin (ots)
Auch im Januar sind die Arzneiausgaben der gesetzlichen Krankenkassen wieder stark gestiegen. Im Vergleich zum Januar 2005 habe man rund 13 Prozent mehr für Arzneimittel ausgegeben, sagte Eckart Fiedler, der Chef der Barmer Ersatzkasse, dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). Bei den anderen Kassen sehe es ähnlich aus: Steigerungen "im weit zweistelligen Bereich", so dass für die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt ein Anstieg von 13 bis 14 Prozent zu erwarten sei.
Die neuen Zahlen seien aus einem Grund besonders alarmierend, sagte Fiedler: Sie fußten auf einer sehr hohen Ausgangsbasis. Im Januar 2005, dem Vergleichsmonat, waren die Arzneiausgaben der GKV bereits um 29 Prozent gestiegen. Im Jahresmittel lag der Zuwachs bei 16 Prozent, rund 3,3 Milliarden Euro. Für Fiedler wäre es "ein Irrsinn, wenn wir uns das nochmal erlauben würden". 2005 habe man den Anstieg noch mit dem Wegfall des zehnprozentigen Rabatts erklärt, den die Pharmaindustrie den Kassen bis dahin gewährt hatte, sagte er. Damit sei nun nichts mehr zu entschuldigen.
Den Hauptgrund für die steigenden Arzneiausgaben sehen die Kassen bei den Ärzten. Die müssten "sehr viel kritischer verordnen", forderte Fiedler. Insbesondere kritisierte er die Verschreibung von Scheininnovationen - neue Medikamente, die verteuert, aber nicht verbessert wurden. Es sei problematisch, dass Pharmareferenten für viele Ärzte offenbar die Hauptinformationsquelle seien, sagte er. "Zwei Millionen Arztbesuche im Jahr hinterlassen ihre Spuren."
Über die Jahre hätten die Referenten bei den Ärzten eine "gepflegte Informations-Vormacht" errungen, sagte AOK-Sprecher Udo Barske dem "Tagesspiegel". Die Mediziner verordneten jedenfalls nicht mehr, sondern teurere Arznei. Und die Patienten hätten nichts davon. Auch die AOK rechne mit steigenden Arzneiausgaben - zumindest bis das Arzneimittelspargesetz im April 2006 in Kraft tritt.
Die erneute Steigerung sei nicht überraschend, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Klaus Vater, dem "Tagesspiegel". Um die Steigerungen in den Griff zu bekommen, empfahl er eine "stringente Kosten-Nutzen-Berechnung" von Arzneien. Kassen und Kassenärztliche Vereinigungen sollten damit das neu geschaffene Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) beauftragen und sich danach gemeinsam auf Empfehlungen für bestimmte Mittel oder Wirkstoffe festlegen. "Wir müssen die Kosten-Nutzen-Betrachtung forcieren", forderte auch Barmer-Chef Fiedler. Allerdings laufe man ohne gesetzliche Grundlage bei jeder Veröffentlichung Gefahr, an den Einsprüchen der Arzneihersteller zu scheitern.
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