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Der Tagesspiegel: Autor und ehemaliger DDR-Dissident Lutz Rathenow lehnt geplante Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes ab

Berlin (ots)

Der Schriftsteller und ehemalige DDR-Dissident Lutz
Rathenow hat die Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes in der von
Union, SPD und Bündnisgrünen geplanten Form abgelehnt. "Dieses Gesetz
täuscht die Erhellung der Vergangenheit durch juristische Paragraphen
vor. Das funktioniert nicht", sagte Rathenow dem "Tagesspiegel" 
(Montagausgabe) in einem Interview. Der Hinweis der 
Gesetzesbefürworter darauf, dass auch Stasi-Mitarbeit verjähren 
müsse, greife nicht. "Denn eine ehemalige IM-Tätigkeit war nie 
strafbar und ist fast nie bestraft worden. Deshalb sollte man von 
(möglichen und sicher abnehmenden) Prüfungen sprechen, die 
differenzierte Erkenntnisse erzeugen", sagte Rathenow. Es gehe um 
"aktuelle Tätigkeitskompetenz durch Prüfen der Wahrnehmungsfähigkeit 
für ehemaligen beruflichen Missbrauch als Anwalt, Trainer, Arzt oder 
Journalist".
Der Gesetzentwurf enthält nach Ansicht Rathenows "Formulierungen, 
die katastrophale Nebenwirkungen erzielen können. Zum Beispiel die 
Festlegung, dass einem Mitarbeiter die Tatsache einer Tätigkeit für 
den Staatssicherheitsdienst im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten 
und nicht zu seinem Nachteil verwendet werden darf." Dies bedeute 
"einen Extra-Schutz für ehemalige Stasi-Mitarbeiter. Er schützt nicht
nur vor Kündigung, auch vor Verwendung der Erkenntnis zu beruflichen 
Nachteilen. Das ergibt praktisch eine Karrierepflicht für 
Stasi-Leute."
Rathenow sagte der Zeitung, "aus zuverlässiger Quelle" sei ihm 
bekannt, dass "im Ostteil Berlins Anwälte mit belasteter 
DDR-Vergangenheit an Modellen für künftige Klageerhebungen und 
Prozesse" arbeiteten. Dabei sollen nach seinen Erkenntnissen drei 
rechtliche Grundlagen verknüpft und getestet werden: das 
Persönlichkeits- und Datenschutzrecht, das neue 
Antidiskriminierungsgesetz und das künftige Stasi-Unterlagengesetz. 
"Konkrete Beschreibungen ehemaliger Stasi- Aktivitäten werden schon 
jetzt oft juristisch behindert. Schwärzungen in veröffentlichten 
Büchern sind angestrebt, die Verhinderung neuer Werke. Gegen 
Bürgerrechts-Archive und die Verbreiter privater Stasi-Akten-Kopien 
werden Klagen geprüft. Die unübersichtliche Rechtssituation wird zu 
dem Versuch führen, uns nachträglich einen Maulkorb zu verpassen - 
unter Androhung zivilrechtlicher Folgen", sagte Rathenow.
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622 
cvd@tagesspiegel.de 
 

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