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Der Tagesspiegel: 35 Verbrechen der RAF bis heute ungeklärt

Berlin (ots)

Nach Recherchen des in Berlin erscheinenden
"Tagesspiegels am Sonntag" sind wesentlich mehr RAF-Verbrechen nicht 
oder nur teilweise aufgeklärt worden als bisher bekannt. Die Liste 
umfasst 35 Fälle. Sie reicht vom ersten Terror-Todesopfer, dem 
Polizisten Norbert Schmid im Jahr 1971 bis zum Tod des 
Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen 1989. Mehrere 
Länder-Innenminister forderten im Gespräch mit dem "Tagesspiegel am 
Sonntag" angesichts der Fülle der offenen Fälle weitere Ermittlungen.
Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) sagte. "Es lohnt sich, 
über einen neuen Ansatz zur Aufklärung der Verbrechen nachzudenken." 
Dazu zähle auch eine Sonderkommission unter Einbindung der 
Bundesanwaltschaft.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist "erschrocken" 
über die hohe Zahl nicht wirklich aufgeklärter Fälle. "Es ist eine 
Frage der Rechtssicherheit, dass alle Fälle aufgeklärt werden." Zudem
gebe es eine Verpflichtung gegenüber Opfern und Angehörigen. Die 
vollständige Aufklärung sei notwendig, um den in der aktuellen 
Debatte zu beobachtenden Tendenzen vorzubeugen, "die Vergangenheit 
gesundzubeten", sagte Schönbohm dem "Tagesspiegel am Sonntag". "Das 
Volk muss sich insgesamt vor Augen führen, wie es gewesen ist." 
Schönbohm vermisst in der Debatte "ein klares Bekenntnis: Nie 
wieder". Eine Begnadigung des ehemaligen RAF-Mitglieds Christian Klar
sieht er skeptisch. Klar habe sich nicht einsichtig gezeigt und 
nichts unternommen, "was zur Aufklärung der offenen und nur teilweise
ermittelten Fälle beigetragen hätte", sagte Schönbohm. Er wolle aber 
dem Bundespräsidenten keine Ratschläge erteilen.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) äußerte sich betont 
nüchtern. Die nicht oder nur teilweise aufgeklärten Taten von RAF und
Bewegung 2. Juni könnten nicht anders bewertet werden als ähnlich 
schwere Delikte anderer Straftäter. Und wie in allen anderen 
Strafverfahren würden Ermittlungen wieder aufgenommen, wenn es neue 
Anhaltspunkte gibt, "aber auch nur dann", sagte Körting.
Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) warnte vor Hysterie. 
"Wir müssen aufpassen, dass wir die Diskussion über die RAF nicht 
hysterisch führen, weil wir dann Gefahr laufen, dass die Täter 
aufgewertet und die Opfer vergessen werden", sagte Nagel dem 
"Tagesspiegel am Sonntag". Dennoch gelte, dass Mord nicht verjährt. 
"Die nicht aufgeklärten Fälle bleiben aktuelle Fälle der Polizei. Sie
gehören nicht in den Aktenschrank", betonte Nagel.
Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner 
(SPD) gibt es weiterhin ein "eindeutiges Aufklärungsinteresse". Auch 
mit Blick auf Opfer und Angehörige habe der Staat die Verpflichtung, 
"mit allen ihm verfügbaren Mitteln zu handeln". Stegner sagte zu den 
Vorwürfen, die Sicherheitsbehörden hätten seit langem Erkenntnisse 
über Tathergänge gehabt, diese aber nicht genutzt: "Das muss 
klargestellt werden. Wenn es ungenutzte Erkenntnisse gab, muss man 
dem in aller Konsequenz nachgehen." Der Verfassungsschutz hatte 
offenbar bereits Anfang der 80er Jahre bei Vernehmungen von 
Ex-RAF-Mitglied Verena Becker erfahren, im Mordfall Buback sei weder 
Christian Klar noch Knut Folkerts der Todesschütze gewesen, sondern 
Stefan Wisniewski. Diese Informationen sollen auch an die 
Ermittlungsbehörden gegangen sein. Offenbar wurde davon aber weder 
bei der Fahndung noch in RAF-Prozessen Gebrauch gemacht.
Die hohe Zahl ungeklärter Taten liegt nach Ansicht des 
CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach nicht an Versäumnissen der 
Ermittlungsbehörden. "Es gab intensive Ermittlungen, aber es konnten 
eben keine Täter identifiziert werden",  sagte Bosbach dem 
"Tagesspiegel am Sonntag". Sobald es neue Beweise oder Indizien gebe,
müssten die Ermittlungen weiter gehen. Der Verbleib der 
Verfassungsschutz-Akte mit den Aussagen der Terroristin Verena Becker
müsse im Übrigen "sofort" geklärt werden. Bosbach sagte weiter, es 
könnte einen neuen Impuls für Ermittlungen geben, wenn der auf einen 
Gnadenerweis des Bundespräsidenten hoffende RAF-Terrorist Christian 
Klar etwas aussagen würde. "Aber der schweigt ja weiter, was einer 
von vielen Punkten ist, warum er nicht begnadigt werden sollte."
Die Informationen und Zitate sind bei Nennung der Quelle von 
sofort an zur Verwendung frei. Sollten Sie noch Fragen haben, wenden 
Sie sich bitte an den Tagesspiegel, Politikredaktion, Telefon: 
030/26009-389.
Mit freundlichen Grüßen,
Der Tagesspiegel
Politikredaktion

Pressekontakt:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de


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