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Bischof Bätzing und Nuntius Erzbischof Treanor sprechen auf dem St. Michael-Jahresempfang in Berlin

Bonn (ots)

Der Apostolische Nuntius bei der Europäischen Union, Erzbischof Noël Treanor, hat heute (4. September 2023) für die "Kunst des Kompromisses" geworben und gleichzeitig zum Schutz der Demokratie aufgerufen. Vor rund 500 Gästen aus Kirche, Politik, Gesellschaft und Medien sprach Nuntius Treanor auf dem St. Michael-Jahresempfang des Katholischen Büros in Berlin.

Zu Beginn des Empfangs zeichnete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, ein realistisches Bild von Religion und Kirche in Deutschland. "Religion wird in der immer pluraler werdenden Gesellschaft mehr und mehr als Teil des persönlichen Ausdrucks gesehen, gleich anderen Haltungen und Überzeugungen, die in einer offenen Gesellschaft ihren Platz finden dürfen. Und nicht nur die Kirchenbindung der Menschen schwindet. Der Glaube an Gott droht zu verdunsten. Viele, die die Kirche nicht förmlich verlassen, haben sich innerlich entfernt und sind vielfach kaum noch ansprechbar. Die Fähigkeit der Kirche, Menschen für das Evangelium zu gewinnen und Orientierung zu geben, nimmt mit jeder Generation ab", so Bischof Bätzing. Gleichzeitig betonte er, dass die vorhandene Ausgangslage von Freiheit und bewusster individueller Entscheidung wichtig und gut sei. Sie erfordere von der Kirche, neue Wege suchen, um Menschen noch mehr in ihrer Lebenssituation und mit ihren Fragen hilfreich zu begleiten und Gemeinschaft in einem guten Geist zu fördern: "In der krisenhaften Stunde zeigt sich in aller Klarheit die Notwendigkeit, die Botschaft Jesu Christi neu zu verkünden. Ich bin überzeugt, dass sie auch heute Menschen begeistern und unterstützen kann. Und an der Stelle betone ich ausdrücklich, wie dankbar ich für die Menschen bin, die im Haupt- und Ehrenamt und in ihrem alltäglichen Leben der frohen Botschaft ein Gesicht geben und kreative Wege gehen, damit Menschen Kraft im Glauben und für ihr Leben finden", sagte Bischof Bätzing.

Dazu zähle auch der Einsatz, für den die Kirche stehe: Als Kirche wolle man sich auch in Zukunft daran messen lassen, dass man für den Schutz des Lebens eintrete, die Würde und Rechte derer verteidige, die am Rande der Gesellschaft ständen. Außerdem, so Bischof Bätzing, lasse sich die Kirche auch künftig daran messen, "dass wir in den Konflikten unserer Zeit dafür einstehen, Gerechtigkeit, Frieden, Menschenrechte und die Bewahrung der Schöpfung immer mehr zu Leitbildern unserer Gesellschaft und auch des internationalen Zusammenlebens zu entwickeln. Da sind nicht bloß Worte, da sind konkrete Taten gefragt". Bischof Bätzing fügte hinzu: "Eine Kirche, die nicht dient, die sich von der Gesellschaft fernhält, ist nicht vorstellbar. Dabei spielt für uns nicht primär die entscheidende Rolle, wie viele Mitglieder wir haben - über bessere Zahlen als die zuletzt veröffentlichten freuen wir uns natürlich -, wie unsere Anliegen im politischen Diskurs tatsächlich aufgegriffen werden oder mit wem wir uns gut oder schlecht stellen. Entscheidend ist, dass wir uns als Kirche aus unserem Glauben heraus für die Menschen und für das Wohl der Gesellschaft einsetzen."

Gastredner des St. Michael-Jahresempfangs war auf Einladung des Leiters des Katholischen Büros, Prälat Dr. Karl Jüsten, der Apostolische Nuntius bei der Europäischen Union in Brüssel, Erzbischof Noël Treanor. Er warnte vor einer wachsenden Polarisierung der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung in nicht wenigen Demokratien der Welt, die häufig mit dem Verlust von Vertrauen in den Staat und das demokratische Regierungssystem einhergehe. "Als Kirche sehen wir uns daher gerade heute in der Verantwortung, dem Extremismus, dem Populismus und jeglicher Form von Menschenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten. Populistische, radikale und autoritäre politische Akteure spielen dabei auch die Offenheit unserer Gesellschaft aus, um ihr und dem demokratischen Regierungsmodell zu schaden", so Erzbischof Treanor. Er fügte hinzu: "Allerdings beobachte ich in den vergangenen Monaten einen ebenso besorgniserregenden Trend: Nicht nur die Feinde der Demokratie, sondern auch ihre Freunde tragen durch ihr Verhalten im politischen Wettbewerb unbeabsichtigt dazu bei, das Vertrauen der Menschen in den Wert des politischen Wettstreits, die Regierung und die Demokratie insgesamt zu schwächen. Auf europäischer Ebene konnte man jedenfalls diesen Eindruck in der politischen Auseinandersetzung der vergangenen Monate zu bestimmten Gesetzen gewinnen: Behauptungen wurden als Fakten präsentiert, der Wettbewerb der besten Argumente wurde in Teilen durch Stimmungsmache ersetzt und die Kunst des demokratischen Kompromisses aufgegeben zugunsten von Verweigerungs- oder Blockadehaltungen."

Erzbischof Treanor warb in seiner Ansprache für den Schutz der Demokratie. "Wir alle stehen aber in der Verantwortung, mit unserer Demokratie achtsam umzugehen und sie zu schützen. Daher sind auch wir alle aufgerufen, präzise mit Fakten umzugehen, Komplexität nicht zugunsten unserer eigenen Meinung praktisch zu verkürzen, sondern sie besser zu kommunizieren und zu erklären." Politik lebe von vitalen Diskussionen, von eindrücklicher Rhetorik und unterschiedlichen Bewertungen. "Sie verliert aber den Boden unter den Füßen, wenn wir uns nicht mehr auf die Fakten einigen können, auf deren Basis unsere Repräsentanten ihre Entscheidungen treffen müssen. Denn dann können diese Entscheidungen von den Menschen nicht mehr richtig nachvollzogen werden. Der Mangel an einer geteilten Wahrnehmung von Fakten vergrößert zudem die Distanz zwischen den Realitäten, in denen wir uns eingerichtet haben, und erschwert so den Dialog", sagte Nuntius Treanor.

Zum demokratischen Miteinander zählen außerdem die Fähigkeit zum Kompromiss, zur "Kunst des Kompromisses", und die Bereitschaft, sich gegebenenfalls mit einer aus der eigenen Sicht nur zweit- oder drittbesten Antwort auf eine politische Frage zufriedenzugeben. Auch die Kirche bewege sich häufig auf dem Terrain von Kompromissen und nicht immer zeige sie sich zufrieden mit dem, was an Kompromissen - auch in der Politik - geschlossen werde. "Unsere Unzufriedenheit mit bestimmten politischen Kompromissen des demokratischen Gesetzgebers führt aber nicht dazu, dass wir Kompromisse generell, den demokratischen Wettbewerb der Ideen oder gar die Demokratie an sich infrage stellen. Diese Unzufriedenheit spornt uns vielmehr an, Fakten noch genauer anzuschauen, noch mehr in den Dialog zu gehen und unsere Überzeugungen und Argumente noch besser zu erklären und mehr und breitere Überzeugungsarbeit zu leisten", so Erzbischof Treanor. "Wir meinen, dass die Orientierung, die die christliche Botschaft in die Politik hineinzugeben vermag, in Zeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Transformationsprozesse, wie wir sie heute erleben, wichtig ist." Dazu gehöre der Schutz des menschlichen Lebens, des geborenen wie ungeborenen, des einheimischen wie des zugezogenen oder geflüchteten. "Hierzu gehört auch, dass der Schutz globaler Gemeingüter, die die Basis dieses Lebens bilden, und die Bewahrung der Schöpfung nicht zum Opfer wahlkampforientierter oder auf kurzfristigen Profit ausgerichteter Blockade- oder Verzögerungstaktiken werden dürfen."

Hintergrund

Erzbischof Noël Treanor wurde im äußersten Norden der Republik Irland geboren und 1976 zum Priester geweiht. Von 1992 an war Noël Treanor Generalsekretär der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, bevor ihn Papst Benedikt XVI. 2008 zum Bischof von Down und Connor - in Nord-Irland - ernannte. Nach 14 Jahren, 2022, berief Papst Franziskus ihn zum Apostolischen Nuntius bei der Europäischen Union in Brüssel.

Hinweise:

Die Ansprache von Bischof Dr. Georg Bätzing und von Nuntius Erzbischof Noël Treanor beim St. Michael-Jahresempfang finden unter www.dbk.de.

Pressekontakt:

Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz
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