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Hubert Weinzierl zum 70. Geburtstag: "Naturschutz ist kein Beruf"

Hubert Weinzierl zum 70. Geburtstag: "Naturschutz ist kein Beruf"
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Bonn/Wiesenfelden (ots)

Als Hubert Weinzierl, der heutige Präsident des Deutschen
Naturschutzrings (DNR), 1969 erstmals an die Spitze eines
Umweltverbands gewählt wurde, fristete der Naturschutz in Deutschland
noch ein Schattendasein. Das Wirtschaftswunder überstrahlte alles -
auch die Tatsache, dass man längst begonnen hatte, die eigenen
Lebensgrundlagen abzugraben. Weinzierl - und mit ihm einer wachsenden
Zahl von Mitstreitern/innen - gelang es, die Kehrseite der Konsumwelt
aufzuzeigen und ökologisch gangbare Alternativen zu entwickeln.
Anlässlich seines 70. Geburtstags zieht Hubert Weinzierl eine Bilanz
über ein Leben im Zeichen des Natur- und Umweltschutzes.
Frage: Erstmals in Deutschland wurde gerade eine vormalige
Umweltministerin zur Kanzlerin gewählt. Man müsste meinen, dass damit
ein "Öko-Traum" in Erfüllung geht.
Weinzierl: Ich hoffe schon, dass Angela Merkel sich noch an den
Naturschutz erinnert. Aber ich habe Angst vor ihrer Liebe zur
Gentechnik und zu Atomkraftwerken.
Frage: Sie selbst haben nie den "Bettelorden" des ehrenamtlichen
Natur- und Umweltschutzes verlassen. Hätten Sie in einem Parlament
oder einer Regierung nicht viel mehr erreicht?
Weinzierl: Ohne Bürgerengagement funktioniert kein Staatswesen.
Die Parteien dürfen kein Monopol für Zukunftspolitik bekommen.
Frage: Wäre es nach den Warnungen der Natur- und Umweltschützer
vor 30 Jahren gegangen, müssten heute die Wälder tot, das Wasser
verseucht und der Himmel schwarz sein. Warum geht es uns immer noch
so gut?
Weinzierl: Weil Umweltverbände und Politik im technischen
Umweltschutz und in der Umweltvorsorge erfolgreich waren. Allerdings
wird dies nicht ausreichen, um etwa die Klimaveränderung zu stoppen.
Hier müssen wir unsere Bemühungen verdoppeln.
Frage: Wenn eine unionsgeführte Regierung jetzt so en passant den
Atomausstieg mitträgt, als hätten die gesellschaftspolitischen und
realen Bauzaunschlachten nie stattgefunden, zeugt das von ...
Weinzierl: ...der Realität, dass Wirtschaft und Politik nicht
gegen den Bürgerwillen handeln können. Noch besser wäre aber die
Einsicht, dass nicht rückholbare Entscheidungen gegenüber künftigen
Generationen unmoralisch sind.
Frage: Vor 40 Jahren haben Sie maßgeblich daran mitgewirkt, dass
im Bayerischen Wald der erste Nationalpark Deutschlands entstand.
Frage: Inzwischen wurde in jedem Bundesland mindestens ein großes
Naturreservat geschaffen. Können wir uns solche "unproduktiven" Oasen
noch leisten?
Weinzierl: Nationalparke sind die Schatzkammern unserer Heimat.
Gleichzeitig bringen sie viel für die Erholung und den Tourismus. Es
sind attraktive Lernorte der Umweltbildung. Die Nachwelt wird uns
auch nicht nach der Dichte des Straßennetzes, sondern nach dem
Netzwerk des Lebens fragen.
Frage: Sie haben sich dafür engagiert, dass Wildtiere wie Uhu,
Biber, Luchs oder Wildkatze bei uns wieder heimisch wurden. Heute
werben Sie für Toleranz gegenüber Bär und Wolf. Muten Sie uns da
nicht ein bisschen viel Wildnis zu?
Weinzierl: Die Sehnsucht nach Wildnis tragen wir doch alle noch in
uns. Wir sollten die Chance einer Solidargemeinschaft mit der
Schöpfung wieder entdecken und die Zuwanderer liebevoll aufnehmen.
Frage: Wer wie Sie im Alter von 70 Jahren politisch noch etwas
bewegen will, muss sich aufs Wesentliche konzentrieren. Was ist Ihnen
heute so wichtig, dass Sie sich dafür "bis zuletzt" einsetzen?
Weinzierl: Naturschutz ist kein Beruf, sondern eine Denkweise, die
sich nicht in Pension schicken lässt. Ich möchte Freude und Lust auf
Naturschutz machen und zu einem zukunftsfähigen Lebensstil anregen.
Frage: Ihre autobiografische Bilanz soll den Titel "Zwischen
Hühnerstall und Reichstag" tragen. Wo fühlen Sie sich persönlich
eigentlich mehr hingezogen?
Weinzierl: Meine Aufgaben drängen mich immer wieder nach Berlin
und an Verhandlungstische, aber meine Seele lebt im Bayerischen Wald,
wo meine Frau und ich mit vielen Tieren zusammen unsere Heimat haben
und Kraft schöpfen.
Interview: Christoph Markl-Meider
Kurzportrait
Hubert Weinzierl, geboren am 3.12.1935 in Ingolstadt, engagiert
sich seit fünf Jahrzehnten in der Ökobewegung und gilt als die
Integrationsfigur "von klassischem Naturschutz und moderner
Umweltpolitik" (J. Trittin) in Deutschland. Von 1969 bis 2002 ist er
Vorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern e.V. (BN). Als
Sonderbeauftragter des Deutschen Naturschutzringes (DNR) organisiert
er 1970 das Europäische Naturschutzjahr. Von 1983 bis 1998 steht er
an der Spitze des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
(BUND). Weinzierl nimmt als Mitglied der deutschen Delegation am
"Erdgipfel von Rio" 1992 und zehn Jahre später am
Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg teil. Seit Dezember 2000 ist er
Präsident des DNR, seit 2001 Mitglied im Rat für Nachhaltige
Entwicklung der Bundesregierung und seit März 2005 Vorsitzender des
Kuratoriums der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Heute lebt der
Land- und Forstwirt mit seiner Frau, der katholischen Theologin Beate
Seitz-Weinzierl, im Bayerischen Wald.
Termine
Montag, 5.12.2005, 20:15 Uhr, Bildungskanal BR-alpha:
   alpha-forum/Hartmut Stumpf im Gespräch mit Hubert Weinzierl
Dienstag, 6.12.2005, 11:00 Uhr, Vertretung des Freistaates Bayern
   in Berlin: Festveranstaltung des DNR und der DBU

Pressekontakt:

Deutscher Naturschutzring,
Generalsekretär Helmut Röscheisen,
Tel: +49/228/359005, Fax +49/228/359096,
E-Mail info@dnr.de, Internet www.dnr.de

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