Forum Moderne Landwirtschaft e.V.
Gentechnik in der Ernährung: Wahlfreiheit für den Verbraucher
Berlin (ots)
Technologie bietet Zukunftschancen / Abwägung der Vor- und Nachteile von Fall zu Fall erforderlich / weiterer Forschungsbedarf bei Koexistenz / Verbraucher nach wie vor unsicher
Im 4. Berliner Gespräch zur Nachhaltigkeit diskutierten am 16. Oktober 2003 Experten aus Forschung, Unternehmen, Landwirtschaft, Handel, Kirchen und Umweltverbänden das Thema "Gentechnik und Ernährung - bedrohlich, hilfreich oder doch belanglos?" Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion kamen bei aller Gegensätzlichkeit der Standpunkte auch zu gemeinsamen Positionen. Eingeladen hatte die Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft, die mit der Veranstaltungsreihe der Berliner Gespräche den Dialog zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen unserer Gesellschaft fördern will.
Nach Meinung aller Diskutanten trägt die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte bzw. Inhaltsstoffe wesentlich zur Transparenz des Marktes bei. Einerseits können damit Skeptiker und Befürworter informiert werden, andererseits wird den bislang Unentschlossenen eine Wahlmöglichkeit zum Probieren geboten. Im Bezug auf Chancen und Risiken seien für jedes einzelne Vorhaben oder Forschungsziel Abwägungsprozesse erforderlich. Weitgehend unumstritten war auch die Feststellung, dass sich die Forschung zu lange auf Themen wie Herbizidresistenz konzentriert habe. Diese brächte für die Verbraucher keine Vorteile. Stattdessen müsse die Verbesserung der Produktqualität wie beim Golden Rice oder die Verbesserungen von Resistenzeigenschaften der Kulturpflanzen im Vordergrund stehen. Die räumliche Koexistenz beim Anbau von gentechnisch veränderten und "konventionellen" Kulturpflanzen müsse klar definiert werden, um allen Seiten Sicherheit zu bieten. Es wurde vorgeschlagen, mit Hilfe von Großflächenversuchen die erforderlichen Erkenntnisse zu gewinnen. Insbesondere die Schwellenwerte für Beimischungen sollten pragmatisch festgelegt werden, auch wenn hier die Umweltverbände allgemein für eine "Null-Toleranz" plädieren.
Eingangs der Diskussion stellte der Moderator Dr. Roger Busch, Institut für Technik, Theologie und Naturwissenschaften aus München, fest, dass sich die Diskussion über die Grüne Gentechnik weg von der rein naturwissenschaftlichen Betrachtung hin zu wirtschaftlichen Aspekten bewegt habe. Dabei rückten Fragen der Welternährung häufig in den Mittelpunkt der Betrachtung. Während Dr. Rudolf Buntzel-Cano, Beauftragter des Evangelischen Entwicklungsdienstes für Welternährungsfragen, den bisherigen Beitrag als äußerst gering einstufte und zudem die Gefahr einer Abhängigkeit der Kleinbauern in den Entwicklungsländern von den Patenteinhabern kritisierte, verwies Dr. Joachim Schiemann, Biologische Bundesanstalt Braunschweig, auf konkrete Vorteile. Der Bt-Mais hätte beispielsweise vielen Bauern in China die Ernte gesichert. Für Dr. Harald Seulberger, Vorstand SunGene GmbH & Co. KgaA, Gatersleben, und Vorstandsmitglied der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) und Susanne Langguth, Direktorin Südzucker AG, Mannheim, überwiegen auch für Entwicklungsländer die Vorteile der neuen Technologie. Dr. Seulberger verwies darauf, dass Patente geschützt werden müssten, damit Gentechnik-Unternehmen Geld zur Finanzierung ihrer Forschung verdienen könnten.
Um dem Verbraucher in Deutschland die Wahlfreiheit zu geben, hat Edeka ein Markenfleischprogramm aufgelegt. Darin verpflichten sich die Vertrags-Schweinemäster, auf gentechnisch veränderte Futterpflanzen zu verzichten, so Roland Ferber. Allerdings konnte der Leiter des Qualitätsmanagements der Edeka Nord nicht ausschließen, dass dabei z.B. Vitamine eingesetzt werden, die in Verfahren unter Verwendung der Gentechnik produziert werden. Heike Moldenhauer vom BUND in Berlin beobachtet nach wie vor eine mehrheitliche Ablehnung von "Genfood" in der Verbraucherschaft, weil sie für sich keinen Vorteil erkennen könnten. Daran hätten auch die Informationskampagnen der Industrie nichts geändert. Frau Langguth machte dafür unter anderem unsere gute Versorgungslage mit Nahrungsmitteln verantwortlich. Dennoch könne von der deutschen Diskussion nicht auf die weltweite Situation geschlossen werden. Immerhin würden bereits auf ca. 60 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut, und diese fänden auch einen Markt, so Dr. Seulberger. Professor Dr. Klaus-Dieter Jany, Bundesamt für Ernährung (BfE), Karlsruhe, folgerte daraus, dass Gentechnik nicht mehr "ante portas" stünde, sondern längst hindurch gegangen sei. Helmut Ehlen, Landwirt und Präsident des Zentralverbandes der deutschen Schweineproduktion, sprach sich für einen ideologiefreien Umgang mit dem Thema aus. Für ihn überwiegen die Vorteile der neuen Technologie, die insbesondere in einer schnelleren und gezielteren Züchtungsarbeit lägen. Die Landwirtschaft müsse sich jedoch dem Markt stellen und die Produkte anbieten, die nachgefragt würden.
Uneinig waren sich die Teilnehmer in der Risikobewertung. Während die BUND-Mitarbeiterin Moldenhauer die Grüne Gentechnik als überflüssige Risikotechnologie bezeichnete und Dr. Buntzel-Cano auf die Gefahren der Marginalisierung und einer noch stärkeren Abhängigkeit des Südens hinwies, plädierten Prof. Jany und Dr. Schiemann für eine differenzierte Beurteilung. Es müsse von Fall zu Fall entschieden werden; allgemein seien die Risiken aber nicht größer als bei der konventionellen Züchtung. Dies würde durch die bisherigen Anbauerfahrungen bestätigt. Frau Langguth mahnte eine Gesetzgebung an, die der neuen Technologie alle Möglichkeiten lässt, ihre Vorteile zukünftig auszuspielen.
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