Börsen-Zeitung: Plausible Rückgänge, Kommentar zur Konjunkturerwartung von Reinhard Kuls
Frankfurt (ots)
Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben die deutsche Konjunktur erreicht - jedenfalls aus Sicht der Finanzanalysten und institutionellen Anleger. Deren Prognosen zur Entwicklung der größten Volkswirtschaft der Eurozone fasst der Erwartungsindex des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zusammen, und dieser ist im August unerwartet deutlich ins Minus gerauscht. Steht Gleiches für das Wirtschaftswachstum in Deutschland und im gesamten Euroraum zu befürchten? Nach jetzigem Stand der Dinge nicht.
Dass sich der ZEW-Erwartungsindex, der auf einer Umfrage in den ersten drei August-Wochen beruht, erneut verschlechtert hat, kann nicht überraschen. Denn befragt wurden, wie immer, Analysten und große Anleger, also Personen, die sehr eng am Marktgeschehen teilhaben. Kann man also den ZEW-Index einfach ignorieren? Wohl auch nicht. Denn viel zu groß ist die Gefahr, dass sich die Unsicherheit an den Finanzmärkten, die in der Subprime-Krise am US-Hypothekenmarkt ihren Anfang genommen hat und nun per Kreditklemme auf den gesamten Unternehmenssektor sowie den privaten Konsum der globalen Konjunkturlokomotive USA überzuschwappen droht, in eine weltweite, sich selbst erfüllende Abwärtsspirale des Wachstumspessimismus wandelt.
Näheren Aufschluss über das Befinden der Realwirtschaft werden in den kommenden Tagen der Ifo-Geschäftsklimaindex und die Einkaufsmanagerindizes von diesseits und jenseits des Atlantiks liefern, denen Erhebungen unter den Unternehmen der verarbeitenden Gewerbe und des Dienstleistungssektors zugrunde liegen. Weitere Abwärtskorrekturen könnten sich auch in diesen Stimmungsindikatoren zeigen, und nicht nur weil dem ZEW-Index gerade in Bezug auf den Ifo-Indikator Vorlaufeigenschaften beigemessen werden.
Dies muss aber noch lange nicht heißen, dass der Eurozone ein scharfer Wachstumseinbruch droht. Vielmehr ist aus zyklischen Erwägungen heraus eine etwas langsamere Gangart plausibel. Die Bedingungen für weiterhin ansehnliches Wachstum im Euroraum sind aber nach wie vor günstig: pralle Orderbücher, eine florierende Weltwirtschaft und die Verbesserungen am hiesigen Arbeitsmarkt, welche die Binnennachfrage und damit die Resistenz gegen die Gefahren aus den USA und sehr nervöse Finanzmärkte stärken dürften.
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