Börsen-Zeitung: Urteil mit Signalwirkung, Kommentar zum Urteil des Europäischen Gerichtes erster Instanz (EuGI) im Kartellstreit zwischen Microsoft und der EU-Kommission von Christof Roche
Frankfurt (ots)
Das hat gesessen. Das EU-Gericht erster Instanz stellte sich im Fall "Microsoft gegen Kommission" hinter die Brüsseler Wettbewerbsaufsicht. Die Richter verpflichten den Softwaregiganten, die Schnittstellenprotokolle freizugeben, um der Konkurrenz die Vermarktung Windows-kompatibler Produkte zu ermöglichen. Das schmerzt besonders hinsichtlich der Langfristperspektive der Softwareschmiede, gilt das Luxemburger Urteil auch für Windows-Nachfolger "Vista" und andere Redmond-Produkte.
Die zuletzt verfolgte Politik Microsofts, eigene Produkte, die im Wettbewerb kaum bestanden hätten, über die weltweite PC-Hoheit in den Markt zu drücken, steht vor dem Aus. Selbst der Schutz des geistigen Eigentums, den Microsoft auf Windows geltend macht, reichte nicht aus, um in Luxemburg die Vorwürfe des Missbrauchs der Marktdominanz zu entkräften.
Doch das Urteil im Streit "europäischer David gegen amerikanischen Goliath" macht nicht beim Gates-Konzern halt. Es geht weit darüber hinaus. Nicht nur, weil die Richter - sozusagen als industriepolitische Vorreiter - europäischen und internationalen Unternehmen die Tür öffnen, mit neuen und innovativen Technologien den Platzhirsch anzugreifen. Sondern auch, weil sie der EU-Kartellaufsicht uneingeschränkt den Rücken stärken. Angeschlagen durch mehrere Fusionsentscheidungen, die wegen Schlamperei kassiert wurden, hätte ein erneuter Rückschlag das Ende der Brüsseler Aufsicht bedeutet. Die Kritik wäre wieder entflammt, die europäische Wettbewerbskontrolle einer unabhängigen und kompetenten Instanz zu übertragen.
Doch davon ist die EU-Aufsicht heute meilenweit entfernt. Im Gegenteil: Die Richter stützen ausdrücklich die Grundlinie der Kommission, die Antitrust-Instrumente zum Wohle von Verbrauchern und Kunden einzusetzen. Andere superdominante Konzerne wie Intel, aber auch Europas Telekom-, Energie- und Finanzindustrien sollten spätestens seit gestern gewarnt sein, dass die Kommission mit neuer Verve Märkte aufbrechen und missbräuchliches Verhalten attackieren wird. Das Verdikt zu Microsoft reiht sich nahtlos in die neue Europa-Politik ein, über Wettbewerb, mehr Produktauswahl und niedrigere Preise beim Bürger zu punkten. Der Hebel dazu ist der Markt. Selbst ein Weltmarktführer Microsoft kann die EU mit knapp 500 Millionen Kunden nicht ignorieren.
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