Börsen-Zeitung: Brüsseler Einheitsbrei, Kommentar von Bernd Wittkowski zur geplanten Integration der Hypothekarkreditmärkte in Europa und zu den Auswirkungen auf das deutsche Pfandbriefsystem
Frankfurt (ots)
Die EU-Kommission ist dabei, sich in Deutschland so richtig beliebt zu machen. Nachdem die Brüsseler Regulierer die Salatgurke durchgestylt und die Männer der EU ins genormte Kondom gezwängt haben, obendrein uns Frankfurtern gerade erst den Ebbelwoi (für die auswärtigen Leser: Apfelwein) wegharmonisieren wollten, ist nun der Hypothekarkredit an der Reihe. Darauf haben die Bürger Europas gewartet!
Vor allem die deutschen Bankkunden (und damit die Banken) müssen aus Sicht der Vereinheitlicher endlich mit der Einheitsbaufinanzierung beglückt werden. Irgendwer scheint in Brüssel die Legende verbreitet zu haben, dass der hiesige Hypothekenmarkt in Schutt und Asche liegt. Und dort glaubt man es allen Ernstes: Dass hier Myriaden von Häuslebauern unter der Last der Festzinskredite zusammenbrechen; dass Neubauten und Immobilienkäufe in Serie scheitern, weil mangels eines integrierten EU-Hypothekenmarktes Finanzierungsalternativen fehlen; dass unter den 2300 Geldinstituten keinerlei Wettbewerb um Kreditnehmer stattfindet; und dass unter alledem das Wirtschaftswachstum leidet.
Doch die Kommission ist um ein Allheilmittel nie verlegen. Diesmal soll es das Recht sein, Kredite jederzeit vor Fälligkeit zurückzuzahlen - mit limitierter Zinsausfallentschädigung. So wird es angesichts der Verhältnisse in Europa - Deutschland steht mit seinem System ziemlich allein auf weiter Flur - per Richtlinie kommen, wiewohl alternativ zunächst auch einzelvertragliche Regelungen erwogen werden.
Damit sind der langfristige Festzinskredit und der mit ihm auf der Refinanzierungsseite korrespondierende Pfandbrief quasi zum Abschuss freigegeben - ein neues Exempel einer Nivellierung, die kein Mensch braucht. Wer einen Kredit mit jederzeitiger Tilgungsmöglichkeit haben will, kann diesen heute auch hierzulande bekommen. Die deutschen Banken hätten solche Alternativen freilich viel früher und offensiver anbieten sollen, dann müssten sie und ihre Kunden nicht bald den Brüsseler Einheitsbrei auslöffeln. Was werden denn die Folgen dieses Standardisierungsunwesens sein? Volle Flexibilität für die Kreditnehmer - und als logische Konsequenz variable Zinsen. Dann wäre in der Tat vorstellbar, dass Häuslebauer reihenweise unter der Schuldenlast zusammenbrechen und dass es zu Verwerfungen an den Kredit- und Immobilienmärkten kommt. Als ob wir dazu gerade aktuell nicht genug Anschauungsunterricht geboten bekämen.
(Börsen-Zeitung, 21.11.2007)
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