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Börsen-Zeitung: Brief vom Finanzminister, Börsenkommentar von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten plötzlich
einen Brief vom Finanzminister. Dieser fordert Sie darin auf, doch 
mehr für die Konjunktur zu tun, indem Sie bitte schön mehr 
konsumieren mögen. Der Minister lässt seinen Worten auch Taten 
folgen, er hat nämlich einen Scheck über 1500 Euro beigelegt. 500 
Euro für Sie, dieselbe Summe für Ihren Ehepartner und noch jeweils 
250 Euro für Ihre beiden Kinder. Ein eher absurdes Szenario? Würde 
jedenfalls Peer Steinbrück einen solchen Brief an die deutschen 
Steuerzahler versenden, zöge das aller Wahrscheinlichkeit seine 
sofortige Entfernung aus dem Amt nach sich.
In den USA können sich die privaten Haushalte jedoch genau auf 
einen solchen Brief vom US-Schatzamt freuen. Steuerzahler werden 
Anfang Mai vom Staat 600 Dollar erhalten, Kinder die Hälfte. Etwa 170
Mrd. Dollar schüttet die US-Regierung auf diese Weise als 
Konjunktur-Notprogramm aus. Wobei die beschriebene Form der 
Auskehrungen geschickt gewählt ist. Amerikaner haben bereits im 
Umfeld der Rezession von 2001 derartige Briefe erhalten, wobei sich 
gezeigt hat, dass viele Konsumenten noch am Tag des Eintreffens der 
Schecks mit denselben zum Einkaufen geeilt sind.
Es ist also davon auszugehen, dass das Notprogramm der 
US-Regierung, das dieser Tage Gesetzeskraft erlangt hat, ein durchaus
effektives Mittel der Konjunkturankurbelung darstellt. Hinzu tritt 
die Erwartung weiterer Zinssenkungen durch die amerikanische 
Notenbank. Die Europäische Zentralbank hat sich immerhin von der 
starken Betonung der Inflationsgefahren verabschiedet und sich damit 
neutral positioniert.
Dementsprechend haben sich die Aktienmärkte in der vergangenen 
Woche etwas gefangen, und die Perspektive sieht nicht mehr ganz so 
düster aus, wie sie noch vor wenigen Wochen erschien. Zwar ist eine 
US-Rezession nach wie vor sehr wahrscheinlich, sie dürfte jedoch 
genau wie 2001 leicht ausfallen und von vergleichsweise kurzer Dauer 
sein. An Wall Street hat es daher keine neuen Kurseinbrüche gegeben. 
Der wichtigste Benchmark-Index S&P500 hat in den zurückliegenden fünf
Handelstagen sein Niveau gehalten. Selbst neue schlechte Nachrichten 
über Subprime-Belastungen beim größten US-Versicherer American 
International Group wurden von den Anlegern weggesteckt, ohne dass es
zu neuen Verlusten auf breiter Front gekommen wäre.
Europa dürfte zwar eine spürbare Abschwächung des 
Wirtschaftswachstums erfahren. Mit prognostizierten rund 1,5% wird 
sich die Eurozone 2008 aber deutlich oberhalb der Nulllinie halten. 
Auf Basis dieser Perspektive blieben dem Dax weitere Belastungen 
erspart - trotz des IKB-Desasters. Der Leitindex hat die Woche 
gegenüber vergangenem Freitag mit einem ganz leichten Plus von knapp 
1% beendet.
Allerdings dürfte die Volatilität in den kommenden Wochen hoch 
blieben, denn nach wie vor bleibt eine Reihe gewichtiger Risiken 
bestehen. Die größte Gefahr für die Aktienmärkte geht derzeit von den
nach wie vor zu optimistischen Analystenschätzungen für die 
Unternehmensgewinne im laufenden Jahr aus. An der Börse ist die 
konjunkturelle Lage, so wie sie sich jetzt darstellt, noch nicht 
hinreichend eingepreist. Erwartet wird für das Stoxx600-Universum 
derzeit noch ein Anstieg der Gewinne im laufenden Jahr um 10%. 
Goldman Sachs geht nach einer Top-Down-Analyse davon aus, dass ein 
Rückgang um 8% erfolgt. Die Bewertungsniveaus sehen derzeit zwar 
günstig aus, aber eben nur dann, wenn man die aktuellen 
Ergebnisprognosen für realistisch hält.
Immerhin verläuft die aktuelle Quartalssaison nach Berechnungen 
der Landesbank Baden-Württemberg auf Basis der zehn Dax-Werte, die 
ihre Zahlen bereits vorgelegt haben, bis jetzt besser als erwartet. 
Noch haben die Finanzmarktkrise und die konjunkturelle Abschwächung 
die Unternehmen nicht mit voller Härte getroffen.
Letztlich aber spielt, was die wesentlichen Einflussfaktoren des 
europäischen Aktienmarktes betrifft, die Musik in den USA. Gibt es 
neue Hiobsbotschaften in Sachen Subprime von jenseits des Atlantiks, 
könnten die Aktienmärkte erneut abtauchen.
(Börsen-Zeitung, 16.2.2008)

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