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Börsen-Zeitung: Die Flucht der Investoren, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Vor ein paar Jahren hatte eine bemerkenswerte
Studie den Startschuss zur Commodity-Rally gegeben. Renommierte 
US-Wirtschaftswissenschaftler wiesen in dem Papier nach, dass 
Rohstoffinvestments attraktive Renditen bieten, wobei diese nicht mit
anderen Asset-Klassen wie Aktien positiv korreliert sind. Dies ist 
bekanntlich genau das, wonach institutionelle Anleger suchen. Dann 
traten auch noch prominente und vor allem medienwirksame Investoren 
wie Jim Rogers auf die Bühne, die Rohstoffe als den wichtigsten neuen
Megatrend vermarkteten.
In der Tat konnte man mit Rohstoffinvestments einige Jahre lang 
vortrefflich verdienen. Selbst für Privatanleger, die man mittels der
Erfindung der börsennotierten Fonds, den sogenannten Exchange Trade 
Funds (ETF), und Zertifikaten erst relativ spät auf den Zug 
aufspringen ließ, hat sich die Sache eine ganze Weile gelohnt.
Inzwischen macht sich jedoch Katerstimmung breit. Einer der 
wichtigsten Benchmark-Indizes für Rohstoffinvestments, der 
Reuters-Jefferies CRB Index, hat mit dem Juli den schlimmsten Monat 
seit 28 Jahren hinter sich. Er büßte 10% ein, was nur noch von den 
10,5% vom März 1980 überboten wird. Da der Index relativ 
energielastig ist, spielt bei dem Verlust die Korrektur am Ölmarkt 
eine wichtige Rolle. Aber auch die meisten anderen Commodity-Gruppen 
bis hin zu den Agrarrohstoffen sehen nicht viel besser aus.
Die Ursachen für die Misere sind vielfältig, wobei es aber einen 
dominierenden Grund gibt. Zu nennen sind zunächst fundamentale 
Aspekte. So macht sich die durch die Finanzkrise und deren 
Auswirkungen auf die Realwirtschaft verursachte globale 
konjunkturelle Flaute bemerkbar. Der in den vergangenen Jahren 
markante Anstieg des Verbrauchs wichtiger Energieträger und 
Industriemetalle ist vorerst gestoppt, sodass sich die 
Marktteilnehmer wesentlich weniger Sorgen machen müssen, ob denn das 
Angebot überhaupt noch mithalten kann.
Zudem entspannt sich die Situation beim Angebot bei vielen 
Rohstoffen. Letztlich ist es aber die Flucht der Finanzinvestoren, 
die bei den jüngsten Korrekturen den Ausschlag gegeben hat. So haben 
sich beispielsweise am amerikanischen Öl-Terminmarkt erstmals seit 
Anfang 2007 die Netto-Longpositionen spekulativer, das heißt 
branchenfremder Marktteilnehmer komplett abgebaut. Dass 
Finanzinvestoren an den Rohstoffmärkten inzwischen eine Hauptrolle 
spielen, zeigt das enorme Volumen ihrer Investments: Nach Daten von 
Barclays Capital betragen die Commodity-Assets inzwischen rund 270 
Mrd. Dollar.
Für den Rückzug gibt es einige Motive. So galt es für viele 
Adressen, im Rahmen der Krise aufgetretene Finanzlöcher zu stopfen. 
Zudem hat mit der austrocknenden Liquidität die Volatilität auf den 
Rohstoffmärkten dramatisch zugenommen. Auf dem Ölmarkt sind 
Tagesspannen von 10 Dollar je Barrel keine Seltenheit mehr. Ferner 
bereiten den Investoren jüngste US-Gesetzesinitiativen Sorgen, mit 
denen die Spekulation bei Rohstoffen eingedämmt werden soll.
Damit stellt sich die Frage, ob nun auf dem Rohstoffmarkt eine 
Überbewertungsblase geplatzt ist und man sich daher nun auf magere 
Jahre einzustellen hat. Dafür spricht, dass Bubbles oftmals mit dem 
Auftreten neuer Finanzinstrumente im Zusammenhang stehen. Bei den 
Rohstoffen wäre dies der Aufstieg der ETF. Zudem zeigt der jüngste 
Preisrutsch bei Öl von mehr als 20% einen Bärenmarkt an - zumindest 
dann, wenn man klassische Indikatoren aus dem Aktienmarkt anwendet.
Letztlich dürfte aber den Ausschlag geben, dass die langfristigen 
fundamentalen Trends - vor allem der Aufstieg der Schwellenländer - 
weiterhin intakt sind. Insofern stellt die gegenwärtige Situation 
lediglich eine der Korrekturen dar, wie es sie in den vergangenen 
Jahren häufiger gegeben hat. Dass sie diesmal besonders ausgeprägt 
ist, hängt damit zusammen, dass die Preisanstiege zuvor bei vielen 
Rohstoffen ungewöhnlich kräftig waren.
Und auch die Finanzinvestoren werden sich wieder auf den 
Rohstoffmärkten einfinden. Ihre Flucht vor allem in die Asset-Klasse 
Aktie - wie sie an den jüngsten Bodengewinnen bei den 
Dividendentiteln abzulesen ist - wird wegen der anhaltenden 
Finanzkrise kaum von Dauer sein.
(Börsen-Zeitung, 2.8.2008)

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