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Börsen-Zeitung: Neues Spiel, neues Glück? Kommentar zum Zusammenschluss von Dresdner und Commerzbank, von Bernd Wittkowski.

Frankfurt (ots)

Tun sie's, oder tun sie's nicht? Sie tun es.
Allianz, Commerzbank und Dresdner Bank haben monatelang ein 
Fusionstheaterstück ohnegleichen inszeniert und öffentlich zum Besten
gegeben - bis hin zum vorläufigen Höhepunkt vor dem Wochenende: der 
gezielt nach draußen lancierten Einigung über die Grundzüge des Deals
bei einem nächtlichen Gipfeltreffen.
Wer schon ein paar der berühmt-berüchtigten Konsolidierungsanläufe
deutscher Großbanken mit erlebt hat, der weiß zwar: nichts ist 
unmöglich. Aber wenn es jetzt wirklich noch ein Déjà-vu der 
Aufführung vom Sommer 2000 geben sollte - damals war der bis dato 
vorletzte grün-gelbe Versuch gescheitert -, dann müssten gleich 
mehrere Protagonisten einpacken und unter dem höhnischen Gejohle des 
Publikums von der Bühne Finanzplatz Deutschland abtreten. Alle 
Beteiligten - die Unternehmen wie die handelnden Personen - wären bei
einem Scheitern in diesem Verhandlungsstadium irreparabel beschädigt,
und keiner von ihnen würde irgendwo auf der Welt noch als 
potenzieller Fusionspartner oder Aufkäufer ernst genommen.
Die Frage, wer die Hauptverantwortung für die gigantische 
Geldvernichtung trägt, die dem jetzigen Verkauf der Dresdner in den 
sieben Jahren seit der Übernahme durch die Allianz vorausging, wird 
unabhängig davon sowieso noch zu beantworten sein. Denn das Gelingen 
dieses ja durchaus respektablen Schritts der nationalen 
Bankenkonsolidierung bedeutet zugleich das Eingeständnis eines 
Scheiterns
Nicht allein, dass zwischen dem Kaufpreis, der 2001 für die noch 
nicht der Allianz gehörenden 80% der Dresdner gezahlt wurde, und 
deren heutigem Restwert ein Abgrund in der Gegend von 15 Mrd. Euro 
klafft (woran auch zwischenzeitliche Dividenden- und 
Kapitalrückzahlungen nach München nichts Entscheidendes ändern). Vor 
allem ist auch der Traum vom "integrierten Finanzdienstleister" 
ausgeträumt. Was keineswegs bedeutet, dass sich das Modell Allfinanz 
oder Bancassurance grundsätzlich als Rohrkrepierer erwiesen hätte. 
Nur wurde in diesem Fall demonstriert, was ein Finanzsupermarkt für 
die monetäre Rundumversorgung alles falsch machen kann: etwa wenn 
eine von Anfang an missliebige Investmentbank zum Konzern gehört, der
zum Denken in Generationen neigende Versicherer als Eigentümer aber 
nicht die Nerven hat, die für ein Haus mit hohem Kapitalmarktexposure
geschäftsimmanente Ertragsvolatilität und notfalls auch mal eine 
Finanzmarktkrise auszusitzen.
Nun also neues Spiel, neues Glück? Die Allianz bereitet ihrem 
Schrecken ein Ende, das kann man durchaus als gute Nachricht 
festhalten. Sie wird als Minderheitsgesellschafter der "neuen 
Commerzbank" über ein noch engmaschigeres Vertriebsnetz für ihre 
Versicherungs- und Kapitalanlageprodukte verfügen, wobei den 
Münchenern allerdings auch schon bisher nicht gerade eine mangelhafte
Marktpräsenz und Kundennähe nachgesagt werden konnte. Im Übrigen 
sollte niemand der Illusion erliegen, die vereinigte Bank werde 
hierzulande fortan auch nur annähernd mit der addierten Zahl von rund
1900 Filialen antreten. Das gelb-grüne Duo, in dem auf Dauer 
vermutlich nicht allzu viel Grün übrig bleiben wird, ist definitiv 
"overbranched" und dürfte daraus alsbald die gebotenen Konsequenzen 
ziehen.
Zieht man sie nicht, und das gilt logischerweise auch für den 
Stellenabbau, könnte man sich diese Übernahme gleich ganz schenken. 
Die Erfindung der Mergers & Acquisitions mit Wohlfühlgarantie für 
alle Beteiligten und Betroffenen lässt nämlich leider noch auf sich 
warten. Abbau von 9000 Stellen, verteilt auf drei Jahre, davon "nur" 
die Hälfte im Inland, möglichst über die natürliche Fluktuation - das
klingt recht harmlos. Aber entweder geht man den schmerzvollen Weg, 
oder man lässt die Synergien liegen. Letzteres mag politisch 
korrekter sein und sich als soziale Tat gut verkaufen lassen, gilt 
aber eher nicht als Erfolgsgeheimnis gelungener Fusionen und 
Übernahmen.
Die Commerzbank, nach Bilanzsumme künftig gut halb so groß wie die 
Deutsche Bank und etwa ein Drittel so groß wie der wahre nationale 
Champion, die Sparkassengruppe, wächst nach dem Erwerb der Eurohypo 
2005 nun ein weiteres Mal in eine neue Dimension hinein. Sie gewinnt 
dadurch nicht nur an Größe, sondern auch an Gewicht, ist also besser 
dagegen geschützt, selbst Objekt eines Übernahmeversuchs zu werden. 
Als Übernahmekandidat galt sie indes seit den frühen achtziger Jahren
- wohl tausendmal von allen möglichen Interessenten berührt, aber 
tausendmal ist nix passiert. Zudem ist Gewicht auch eine relative 
Größe: Etwa so viel Marktkapitalisierung wie - ceteris paribus - 
künftig inklusive Dresdner hatte die Commerzbank auf dem 
Zwölfmonatshoch ihrer Aktie ganz allein.
Den Hauptgewinn der aktuellen Fusionslotterie wird derweil die 
Konkurrenz ziehen. Denn auch das zeigt die Erfahrung: Der 
Restrukturierungs- und Integrationskraftakt, den Käufer und 
Kaufobjekt zu bewältigen haben, sowie der interne Kampf um Positionen
und Arbeitsplätze lenken auf Jahre von der Beschäftigung mit den 
Kunden ab. Gut für jene Anbieter, die sich ganz aufs Geschäft 
konzentrieren können.
(Börsen-Zeitung, 30.8.2008)

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