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Börsen-Zeitung: Regulierung richtig dosieren! Leitartikel von Markus Frühauf zum Ende der Ära der US-Investmentbanken und deren künftig strengere Beaufsichtigung

Frankfurt (ots)

Goldman Sachs und Morgan Stanley flüchten in den
sicheren Hafen einer strengeren Aufsicht. Vor kurzem wäre diese 
Aussage noch als missglückter Scherz aufgefasst worden. Doch seit dem
Kollaps von Lehman Brothers und dem Notverkauf von Merrill Lynch an 
die Bank of America steht das kaum regulierte Investment Banking nach
Wall-Street-Art vor dem Aus. Die Finanzkrise, deren Ursprung nicht 
nur der US-Immobilienmarkt, sondern auch der an Wahnsinn grenzende 
Risikoappetit der Investmentbanker aus Lower Manhattan ist, hat 
inzwischen Verluste verursacht, die die Billionengrenze überschritten
haben.
Der US-Staat schnürt ein 700 Mrd. Dollar schweres Rettungspaket. 
Hinzu kommen die von Instituten weltweit vorgenommenen 
Wertberichtigungen über gut 500 Mrd. Dollar. Die Flucht der beiden 
letzten reinen Investmentbanken in das deutlich schärfer regulierte 
Geschäftsmodell der Universalbanken kommt einem Offenbarungseid 
gleich: Nicht nur weil Goldman Sachs und Morgan Stanley wegen der 
kaum noch vorhandenen Refinanzierungsmöglichkeiten keine Perspektiven
mehr für ihr altes Geschäftsmodell sahen, sondern weil sie auch eine 
strengere Regulierung bewusst in Kauf nehmen.
Die Banken haben derzeit schlechte Karten, wollen sie ein 
strengeres Aufsichtsregime verhindern. Diese Schlacht ist angesichts 
des öffentlichen Drucks nicht zu gewinnen. In vielen Punkten haben 
die großen Finanzhäuser dieser Welt sogar selbst aufgezeigt, wo ein 
Umdenken erforderlich ist. So hat das Institute of International 
Finance - Vorsitzender des weltweiten Finanzverbands ist 
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann - im Juli in seinem Schlussbericht
die Vergütungspraxis der Banken als eine Ursache der Finanzkrise 
bezeichnet.
So konnten die Investmentbanker an Wall Street und in der Londoner
City üppig Boni verdienen, da sich diese variable Gehaltskomponente 
am kurzfristigen Erfolg orientierte. Dass damit aber enorme Risiken 
ins Buch geholt wurden, blieb in der Vergütungspraxis außer Acht. Die
Ziele des Risikomanagements und das langfristige Interesse der 
Aktionäre an einem stabilen Unternehmen müssen in Zukunft in der 
Vergütung Berücksichtigung finden. Ein neues Aufsichtsregime muss 
dabei die Rahmenbedingungen definieren. Innerhalb derer sollen die 
Institute aber die Freiheit behalten, mit eigenen Mitteln den 
Wettbewerb um die Talente erfolgreich zu gestalten.
Ein wunder Punkt der Krise sind zudem die Exzesse bei der 
Schaffung neuer Wertpapiere, die mit Forderungen besichert sind. Die 
Verbriefungsmärkte sind nun tot. Die Verbriefung von Krediten bleibt 
aber ein hervorragendes Mittel zur Diversifizierung der Risiken. Die 
EU-Kommission will erreichen, dass die Emittenten künftig einen Teil 
ihrer Verbriefungstransaktion im Buch behalten. Die hier ansässigen 
Banken sollen nur noch in Papiere investieren dürfen, bei denen diese
Bedingung erfüllt ist. Wenn die kreditgebende Bank weiterhin im 
Risiko bleibt, besteht ein Eigeninteresse an strengen 
Kreditvergabestandards.
In den USA wurden die Kreditnehmer vor Ausbruch der Krise gar 
nicht mehr geprüft. Die Wall-Street-Häuser wollten nur noch Masse für
Verbriefungen, die bei Investoren wegen der attraktiven Verzinsung 
reißenden Absatz fanden. Wenn die verbriefenden Banken einen 
Bruchteil der Risiken selbst behalten, ist dies als 
vertrauensbildende Maßnahme zu begrüßen. Dies kann aber nicht über 
eine Einschränkung der Anlagemöglichkeiten und im europäischen 
Alleingang erreicht werden. So stellen die Pläne aus Brüssel für 
europäische Banken bislang einen Wettbewerbsnachteil dar.
Die größte Gefahr ist eine regulatorische Überreaktion. Sie 
bestraft auch die Banken, die aufgrund ihres strikten 
Risikomanagements den Exzessen fernblieben, und schränkt die 
Wachstumsmöglichkeiten ein. Ein zu strenges Aufsichtsregime birgt die
Gefahr, den Regulator zu überfordern. Die Marktteilnehmer würden sich
möglicherweise zu sehr auf die Aufsicht verlassen, ähnlich wie vor 
der Krise auf das Urteil der Ratingagenturen. Eigene 
Risikobeurteilung muss aber unerlässlich bleiben. Auch dies ist eine 
Lehre der Krise, sich nicht nur auf externe Einschätzungen zu 
verlassen.
Die regulatorische Aufarbeitung von Krisen hat einen 
entscheidenden Nachteil: Sie erfolgt a posteriori. Deshalb schützt 
sie nicht vor künftigen Krisen, denen im Finanzsektor in der Regel 
spekulative Übertreibungen vorausgehen. Vor den Fehlern, die die 
Banken begangen haben, warnt bereits jedes Lehrbuch für 
Bankkaufleute. Die eigenen Risikostandards sind im Rausch missachtet 
worden. Hier hat die Krise ihren Anfang genommen, und hier müssen 
zuerst interne Sanktionen greifen. Die Vergütung muss die in Kauf 
genommenen Risiken widerspiegeln. Schließlich darf nicht vergessen 
werden, dass der Markt selbst der strengste Regulator ist. Das Ende 
der Wall-Street-Häuser hat seine Ursache im Misstrauen der 
Investoren. Die Banken müssen deren Vertrauen aus Eigeninteresse 
selbst zurückerobern. Eine richtig dosierte Regulierung kann dabei 
hilfreich sein, eine Überdosierung ist es nicht.
(Börsen-Zeitung, 23.9.2008)

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