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Börsen-Zeitung: Unvorstellbar? Kommentar von Bernd Wittkowski zur gedanklichen Übertragung des US-Rettungsplans für die amerikanische Finanzbranche auf Deutschland

Frankfurt (ots)

Die Deutsche Bank und die neue Commerzbank samt
Dresdner kommen unter staatliche Zwangsverwaltung. Einen oder zwei 
mittelgroße Akteure aus dem Kreditgewerbe lässt man über die Wupper 
gehen. Die Bundesbank übernimmt die Kontrolle über die Allianz. Den 
Rest des privaten Teils der Geldbranche wickelt die von einer Bad 
Bank zur "Worst Bank" beförderte KfW ab. Für die Rechnung von grob 
geschätzt irgendwas zwischen 100 und 200 Mrd. Euro kommt der deutsche
Steuerzahler auf. Ein Horrorszenario? Sicher. Aber andererseits nur 
eine - vielleicht ein wenig holzschnittartige - gedankliche 
Übertragung der ganz realen US-Verhältnisse auf Deutschland.
Unvorstellbar, dass solch ein Szenario hierzulande oder in einem 
anderen EU-Land Wirklichkeit werden könnte? Die seit über einem Jahr 
grassierende globale Finanzkrise lehrt, mit Kategorien wie 
"unvorstellbar" äußerst zurückhaltend umzugehen. Waren bis Mitte 2007
etwa die Fälle IKB/KfW oder SachsenLB auch nur annähernd in der 
Dimension, wie sie dann realiter abgelaufen sind, vorstellbar? War in
Großbritannien vor 13 Monaten der Run auf Northern Rock vorstellbar, 
wie er sich schließlich im September vorigen Jahres ereignete? Und 
waren noch vor wenigen Wochen die historischen, kurzerhand mit 
vermeintlich unumstößlichen Idealen und Traditionen brechenden 
Umwälzungen vorstellbar, die seit kurzem fast im Stundentakt die 
US-Finanzlandschaft bis zur Unkenntlichkeit verändern?
Seit US-Finanzminister Paulson den Rettungsplan für die taumelnde 
heimische Finanzbranche angekündigt hat, vergeht kein Tag, ohne dass 
der deutsche Amtskollege Steinbrück und Politiker anderer führender 
Industrieländer geradezu beschwörend darauf hinweisen, sie müssten 
das Vorgehen der USA nicht kopieren, die Verhältnisse seien nicht 
vergleichbar. Was sonst sollte eine europäische Regierung sagen? Sie 
kann ja die nächste Eskalationsstufe nicht noch herbeireden. Die 
Verantwortlichen auf allen Ebenen - Politik, die Banken selbst oder 
nicht zuletzt die Medien - müssen alles tun, um zu verhindern, dass 
sich die spürbare Nervosität von Bankkunden zur Panik auswächst. Aus 
den Beschwichtigungsversuchen der Regierungen (wie auch der 
Notenbanken) sollte man indes nicht schließen, dass es an 
Problembewusstsein fehlt oder gar Sorglosigkeit herrscht. Auch 
Europas Politiker und Währungspolitiker haben in der Krise gelernt, 
dass fast nichts mehr unvorstellbar ist.
(Börsen-Zeitung, 24.9.2008)

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Redaktion

Telefon: 069--2732-0

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