Börsen-Zeitung: Keine falsche Scham! Kommentar von Carsten Steevens zum Landesbanken-Sektor nach der Bereitstellung des deutschen Rettungspakets
Frankfurt (ots)
Die BayernLB holt sich als erstes Kreditinstitut in Deutschland staatlichen Beistand aus dem von Bund und Ländern in Rekordzeit beschlossenen Rettungspaket für den deutschen Finanzsektor. Wenn es so von den Trägern in München beschlossen wird: Kommt der Hilferuf überraschend? Eher nicht. Spätestens seit April ist klar, dass der zweitgrößte unter den sieben Landesbankkonzernen Kapitalhilfe und eine Abschirmung von Risiken im Milliardenumfang benötigt. Dem Rettungspaket der Eigentümer, Freistaat Bayern und bayerische Sparkassen, fehlt jedoch noch immer die Genehmigung durch die EU-Kommission. Der Einstieg eines privaten Investors, wie der von JC Flowers bei der HSH Nordbank, ist allenfalls ein Hoffnungswert, und Fusionspartner aus dem Landesbankensektor sind vorerst nicht in Sicht - auch nicht die LBBW.
Landesbanken sind staatsnah, ihre Verflechtung mit Bundesländern ist auch nach dem von der EU-Kommission erzwungenen Wegfall der staatlichen Haftungsgarantien im Juli 2005 eng geblieben. Somit mutet es fast logisch an, wenn sich nun gerade diese Institute als erste aus dem 500-Mrd.-Euro-Topf des Bundes zur Stabilisierung des deutschen Finanzsektors bedienen. Schon der Name impliziert, dass Landesbanken notfalls Staatshilfe in Anspruch nehmen - gerade in einer Krise von historischen Ausmaßen. Schämen, wie es jetzt angeblich Vorstandschef Josef Ackermann für den privaten Branchenprimus Deutsche Bank formulierte, müssten sie sich dafür jedenfalls nicht. Investoren in aller Welt, bei denen Landesbanken seit dem Wegfall der Staatsgarantien verstärkt um Refinanzierungsmittel werben müssen, würden nach den verschärften Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten in den vergangenen Wochen kaum etwas anderes erwarten als staatlichen Beistand für diese Institute.
Die Bonitätsnote der Landesbanken bei Ratingagenturen basiert nicht unwesentlich auf der impliziten Unterstützung durch die Bundesländer, die in mehr oder weniger großem Umfang beteiligt sind. Staatlichen Schutz bietet zudem die Gewährträgerhaftung für Altverbindlichkeiten, die noch bis 2015 gilt. Allein bei den vier Landesbanken LBBW, BayernLB, WestLB und HSH Nordbank, die im Zuge der Finanzkrise durch Wertkorrekturen auf illiquide Anlagen bereits in Milliardenhöhe belastet worden sind, handelt es sich Ratingagenturen zufolge noch um ein Volumen von mehr als 350 Mrd. Euro. Diese Vernetzung mit den Ländern lässt die Landesbanken als die "natürlichen" Kandidaten für die Inanspruchnahme der staatlichen Hilfsinstrumente in der Finanzkrise erscheinen.
Es wäre aber auch falsche Scham, würden die Landesbanken - wie andere Kreditinstitute mit Kapital- oder Liquiditätsnöten auch - die Nutzung dieser neuen Instrumente lange hinauszögern. Die konjunkturellen Perspektiven, nicht nur in Deutschland, sind alles andere als rosig. Da braucht es schon von Staats wegen ausreichend kapitalisierte Institute, um die Unternehmensfinanzierung nicht abzuwürgen. Nicht von ungefähr sollen die großen - privaten - britischen Banken in Zukunft mindestens eine Kernkapitalquote von 9% vorweisen. Auch die Kapitalanforderungen an Banken in den USA, denen die Regierung nun im Rahmen des nationalen Rettungsplans zur Seite springt, sind deutlich gestiegen. Deutschen Instituten, deren Finanzbasis im Zuge der Finanzkrise zu erodieren droht und die sich nicht zu einer Rekapitalisierung aus dem Staatstopf durchringen, dürften über kurz oder lang Nachteile im Wettbewerb erwachsen.
Doch verschafft das von Bund und Ländern getragene Stabilisierungsprogramm den Landesbanken nur eine Atempause. Die Finanzkrise hat die zu großen Ertragsschwankungen durch kundenferne Engagements in Verbriefungs- und Kreditersatzgeschäften schonungslos offen gelegt. Die Unzulänglichkeiten der Geschäftsmodelle fast aller dieser öffentlichen Banken wären mit der Inanspruchnahme der neuen staatlichen Hilfsinstrumente nicht beseitigt. Wer diese aber nutzt, muss sich auf Auflagen des Bundes einstellen. Das könnte über eine Einflussnahme auf die Geschäftspolitik und die Begrenzung von Managergehältern hinaus auch bedeuten, dass sich der Druck zur Bereinigung der Landesbankenlandschaft erhöht.
Eine gestärkte Kapitaldecke der Institute erleichtert zwar eine Konsolidierung. Es wäre aber fatal, Fusionen unter angeschlagenen Häusern ohne tragfähiges Geschäftsmodell zu forcieren. Zusammenschlüsse solcher Institute mitten in der Krise würden die Probleme potenzieren. Auch für den Ex-Landesbanker Günther Merl, der den Lenkungsausschuss für den Rettungsfonds leiten soll, waren Geschäftsmodelle gerade in den vergangenen Monaten stets wichtiger als Fusionsmodelle. Von der Entscheidung für den früheren Helaba-Chef dürfte mithin das Signal ausgehen, dass es der Regierung nicht auf beschleunigte Zusammenschlüsse von Landesbanken ankommt. Die Neigung zu betriebswirtschaftlichem Harakiri im staatsnahen Bankenlager ist begrenzt. Die Politik scheint das begriffen zu haben.
(Börsen-Zeitung, 21.10.2008)
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