Börsen-Zeitung: Depression am Aktienmarkt, Kommentar von Christopher Kalbhenn zur aktuellen Stimmun an den Finanzmärkten
Frankfurt (ots)
Die Stimmung an den Finanzmärkten lässt sich nur noch mit dem Wort Depression beschreiben. Die weiter wegbrechenden Kurse der Dividendentitel, mehr noch der Absturz der Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen auf ein bisher noch nie gesehenes Tief von unter 1% sind Folge deprimierender Nachrichten, die derzeit kein Fünkchen Hoffnung zulassen. Spätestens die Gewinnwarnung und umfangreichen Produktionsreduzierungen des wie kaum ein anderes Unternehmen global aufgestellten Chemieriesen BASF zeigen deutlich, dass die Finanzkrise immer härter auf die Realwirtschaft durchschlägt und die Welt in eine schwere Rezession hineinschlittert.
Zwar zeigt die historische Erfahrung, dass Aktienmärkte gerade dann ihr Tief erreichen und sich somit die besten Kaufgelegenheiten ergeben, wenn die Investoren mit Katastrophenmeldungen überschüttet werden - so wie umgekehrt Dividendentitel gerade dann zur Überteuerung neigen, wenn ein positiver Nachrichtenfluss für Euphorie sorgt. Doch in der aktuellen Krise nutzt diese Erfahrung nichts. Denn es ist erkennbar, dass sie deutlich schwerer ist als die meisten Krisen der vergangenen Jahrzehnte und wahrscheinlich noch länger andauern wird. Zwar wird sich der Aktienmarkt auch dieses Mal bereits lange vor der Aufhellung der Nachrichtenlage seitens Konjunktur und Unternehmen zu erholen beginnen. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass dies schon in den nächsten Wochen geschehen kann.
Vielmehr ist zu befürchten, dass die Aktienmärkte noch weitere Tiefen ausloten werden. Anlässe, die Schwächeanfälle auslösen können, wird es in der nächsten Zeit genug geben. So wird die Unsicherheit über den Zustand von Teilen der Finanzbranche ebenso für Irritationen sorgen wie weitere Gewinnwarnungen, Produktionskürzungen, Massenentlassungen und schwache Konjunkturdaten.
Übertrieben sind jedoch Vergleiche mit der großen Depression der dreißiger Jahre oder der Baisse in Japan, die 1990 begann. Anfang der dreißiger Jahre konnte das Bankensystem aufgrund der Golddeckungs-Auflagen nicht mit Liquidität geflutet werden, und es wurde außerdem noch auf die Fiskalbremse getreten. In Japan wiederum vergingen nach dem Platzen der Immobilienblase Jahre, ehe sich die Behörden dazu durchringen konnten, die Schleusen zu öffnen und im Bankensektor aufzuräumen.
(Börsen-Zeitung, 21.11.2008)
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