Börsen-Zeitung: Bittere Erkenntnis, Kommentar von Thorsten Kramer zum Börsenjahr 2008
Frankfurt (ots)
Für eine kleine Gruppe könnte sich das Börsenjahr 2008 nachträglich doch noch als Glücksfall erweisen. Das sind all diejenigen, die über das notwendige Kapital verfügen und nun den Mut zeigen, auf recht tiefem Niveau in Aktien zu investieren. Auf Sicht von drei oder vielleicht auch erst fünf Jahren werden diese Anleger sehr wahrscheinlich auf eine ansehnliche Rendite verweisen können. Und auf ihre Kursgewinne müssen sie dann nicht einmal Abgeltungsteuer zahlen.
Die große Mehrheit der Investoren - private wie institutionelle - wird dann allerdings angesichts eines beispiellosen Kurseinbruchs im Jahresverlauf mit Schrecken an das nun ablaufende Jahr zurückdenken. Gleiches gilt für die Fondsgesellschaften, denen die Baisse das erhoffte Geschäft vor Einführung der Abgeltungsteuer zunichtemachte - und nicht zuletzt für viele Aktienstrategen, denen 2008 bis dahin etablierte Prognosemodelle mehrfach um die Ohren flogen.
Vor Jahresfrist - und das ist die eigentliche bittere Erkenntnis des Börsenjahres - galt die Finanzkrise nahezu allen als beherrschbar. Einzelne Analysten riefen damals bereits einen Stand von 10000 Punkten für den Dax im nun bevorstehenden Jahr aus. Der Optimismus schien grenzenlos. Inzwischen aber bedrohen die Folgen der Finanzkrise die Weltwirtschaft, und so rechnen Volkswirte nicht nur in Deutschland mit der schärfsten Rezession seit mehr als 60 Jahren, mit enorm steigender Arbeitslosigkeit und weiter einbrechenden Unternehmensgewinnen.
Die Hoffnung der Marktteilnehmer liegt nun darin, dass die Zinssenkungen der Notenbanken und die Konjunkturprogramme der Regierungen die Weltwirtschaft stabilisieren. Gelingt das, so lautet die von vielen gegebene Einschätzung, dürfte es auch am deutschen Aktienmarkt in der zweiten Jahreshälfte wieder aufwärts gehen. Mit dieser Einschätzung dürften sie richtig liegen. Es fragt sich allerdings, ob dann wieder größere Anlegergruppen dazu bereit sind, an der Börse zu investieren. Seit dem Beginn des neuen Jahrtausends müssen Anleger nun schon die zweite scharfe Baisse verarbeiten. Dies spricht dafür, dass die ohnehin zurückhaltenden deutschen Investoren künftig noch vorsichtiger an den Börsen agieren - oder ihnen komplett fernbleiben. In diesem Fall stünde 2008 künftig vor allem für das Jahr, in dem die Aktienkultur einen weiteren Rückschlag erlitt.
(Börsen-Zeitung, 30.12.2008)
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