All Stories
Follow
Subscribe to Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung: Böses Erwachen, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Wie rasch sich die Einschätzungen der Analysten
doch ändern. Noch im Dezember hatte es geheißen, an den Aktienmärkten
seien die Auswirkungen der Krise und der Rezession im Grunde schon 
weitestgehend verarbeitet. Vor allem sei im Bankensektor im Rahmen 
der mittlerweile schon seit mehr als einem Jahr andauernden Krise das
Schlimmste schon vorüber.
Dasselbe gelte für den Aktienmarkt: Nach dem Annus Horribilis 2008
sei zwar denkbar, dass die Dividendentitel im ersten Halbjahr 2009 
noch etwas weiter nachgeben, was aber als Übertreibung anzusehen sei.
Der sich für 2010 abzeichnende konjunkturelle Aufschwung werde dann 
in der zweiten Jahreshälfte für bessere Stimmung bei den Anlegern 
sorgen.
Wie es scheint, haben sich diese optimistischen, meist von 
Sell-Side-Analysten vorgetragenen Perspektiven durch die jüngsten 
Ereignisse erledigt: Die Deutsche Bank erlitt einen Verlust von fast 
5 Mrd. Euro im Quartal, bei der Citigroup sind es mehr als 8 Mrd. 
Dollar. Der einstige 800-Pfund-Gorilla des amerikanischen 
Finanzsektors wird darüber hinaus in zwei Teile zerlegt, was als 
Eingeständnis des Scheiterns der Konzernführung aufgefasst werden 
darf. Die vor der Übernahme durch die Bank of America stehende 
Merrill Lynch kommt auf ein horrendes Minus von mehr als 15Mrd. 
Dollar, und die Bank of America selbst steuert weitere 2Mrd. Dollar 
bei. Die britische Großbank HSBC braucht womöglich bis zu 20 Mrd. 
Dollar an frischem Kapital. Und in Irland muss die drittgrößte Bank 
komplett verstaatlicht werden.
Wenig Gutes verheißen auch die Konjunkturdaten, was derzeit am 
klarsten an den japanischen Zahlen abzulesen ist. Um nicht weniger 
als 17% sackte die dort stark exportorientierte Industrieproduktion 
im November in sich zusammen. Nicht nur die Absatzmärkte USA und 
Europa sind schwach, auch das übrige Asien scheint inzwischen von der
ausufernden Krise voll getroffen zu sein. In den USA rutscht der 
private Häusermarkt immer weiter ab. Und die Internationale 
Energieagentur IEA sagt voraus, dass der weltweite Ölverbrauch 2009 
im zweiten Jahr in Folge zurückgehen wird. Zuletzt hatte es ein 
solches Ereignis vor 26 Jahren gegeben.
Auch in Deutschland sieht es nicht besser aus. Für das vierte 
Quartal des vergangenen Jahres sagen die Ökonomen von Unicredit ein 
Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts gegenüber Vorquartal um 
annualisiert rund 6% voraus.
Auch wenn es die deutschen Anleger am Freitag noch vorgezogen 
haben, die sich weiter verdüsternden Aussichten zu ignorieren: Es 
sieht danach aus, dass es an den Aktienmärkten weiter abwärts gehen 
wird. Dazu trägt vor allem bei, dass die Quartalssaison in den USA 
wie auch in Europa noch zahlreiche unangenehme Überraschungen mit 
sich bringen dürfte. Die Analystenschätzungen der Unternehmensgewinne
sind jedenfalls noch deutlich zu hoch. In der Folge ist damit zu 
rechnen, dass der deutsche Leitindex ausgehend von seiner derzeitigen
Position bei 4366 Punkten in nächster Zeit eher die Marke von 4000 
als diejenige von 5000 ins Visier nehmen wird. Der deutsche Leitindex
dürfte also die Tiefs des vergangenen Jahres antesten. Die Anleger 
wiegen sich bislang noch in trügerischer Sicherheit, wie am 
Tagesgewinn des Dax vom Freitag abzulesen ist. Aller Voraussicht nach
wird es für sie ein böses Erwachen geben.
Gestützt wird dieses Negativszenario auch durch die Charttechnik. 
Wie die Analysten von HSBC Trinkaus anmerken, ist der Abschluss einer
großen Bodenbildung bei 5050 Punkten fehlgeschlagen. Damit habe der 
Dax weiteres Porzellan zerschlagen. Die diversen Tiefpunkte des 
vierten Quartals 2008 bei rund 4300 Zählern bildeten die letzte 
Bastion auf dem Weg zu den Niedrigständen von 2008 bei rund 4000 
Punkten.
Als anfällig erscheint auch der amerikanische Aktienmarkt. Der Dow
Jones hat zuletzt die Marke von 8000 Punkten kurzzeitig angetestet, 
sich im weiteren Tagesverlauf und im frühen Handel aber zeitweise 
wieder über 8300 Punkte gerettet. Marktbeobachter halten es für 
wahrscheinlich, dass auch hier die Tiefstände des vergangenen Jahres 
bei 7500 Punkten angetestet werden.
(Börsen-Zeitung, 17.1.2009)

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0

Original content of: Börsen-Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Börsen-Zeitung
More stories: Börsen-Zeitung