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Börsen-Zeitung: Sanierung ohne Staatshilfe, Kommentar von Annette Becker zur Insolvenz von Arcandor

Frankfurt (ots)

Karl-Gerhard Eick, seit März amtierender
Vorstandschef von Arcandor, hat nichts unversucht gelassen, um 
Arcandor den Zugriff auf staatliche Geldtöpfe zu sichern und somit 
die Insolvenz abzuwenden. Angefangen bei Gesprächen mit Eigentümern, 
Gläubigerbanken und Immobilienbesitzern über das Abklappern 
zahlreicher Ministerien in Berlin und den wichtigsten Bundesländern 
bis hin zum medienwirksamen Erklimmen einer Leiter auf einer 
Massenkundgebung vor der Essener Hauptverwaltung - am Ende hat aber 
alles nichts genutzt, und das ist gut so! Denn der aus den drei 
Säulen Warenhäuser, Versandhandel und Touristik bestehende Konzern 
hat seine Daseinsberechtigung in der heutigen Form verspielt.
Die Aussicht auf eine nachhaltig tragfähige Zukunft gab und gibt 
es nicht, auch wenn Arcandor die Sanierung nun im Wege der Insolvenz 
in Eigenverwaltung durchziehen und den Konzern als Ganzes erhalten 
will. Damit verfolgen die Eigentümer letztlich das Ziel, zu retten, 
was noch zu retten ist. An eine nachhaltige Gesundung des Konzerns 
dürfte jedenfalls keiner der Stakeholder glauben, sonst wären die 
Rettungsbeiträge größer ausgefallen.
Die Großaktionäre - die Gesellschafter von Sal. Oppenheim 
(inklusive der Bankanteile 28,6%) und Quelle-Erbin Madeleine 
Schickedanz (26,7%) - argumentieren, dass eine Kapitalerhöhung von 
gesetzlichen Vorgaben begrenzt wurde. Denn ein Überschreiten der 
Stimmrechtsschwelle von 30% zieht in aller Regel ein Übernahmeangebot
an die außenstehenden Aktionäre nach sich. Das wollten die 
Großaktionäre in jedem Fall vermeiden. Dieses Argument darf man aber 
getrost als vorgeschoben abbuchen, denn keine Regel ohne Ausnahme, 
und dies gilt insbesondere in Sanierungsfällen. Wenn ein Unternehmen 
akut von der Insolvenz bedroht ist, werden Großaktionäre durchaus vom
Pflichtangebot befreit. Das hat die Aufsichtsbehörde in prominenten 
Fällen wie Escada und Premiere vorexerziert.
Zwar ist die Insolvenz für die Oppenheim-Gesellschafter besonders 
bitter, weil sie erst im Herbst 2008 bei Arcandor einstiegen. Doch 
wer, wenn nicht Bankexperten, sollte in der Lage sein, Risiken aus 
Beteiligungsgeschäften richtig abzuschätzen? Möglicherweise gab es ja
auch andere Gründe für den gescheiterten Rettungsversuch im 
vergangenen September.
Auch die Besitzer der Warenhausimmobilien hätten eigentlich ein 
veritables Interesse an der Rettung der Warenhausgruppe haben müssen,
lassen sich Warenhaus-Standorte doch nicht ohne große und damit 
kapitalintensive Umbauten weitervermieten. Selbst die Gläubigerbanken
- allen voran die BayernLB, die schon in der Existenzkrise der Jahre 
2004/05 als eines der wenigen Institute bei der Stange geblieben war 
- sahen keine Veranlassung, ihre Kredite für lau zu verlängern. Zumal
ihnen mit den verpfändeten Anteilen von Thomas Cook, einem in jedem 
Fall verwertbaren Asset, das geringste Ungemach droht.
Womöglich vertrauten aber auch alle darauf, dass die 
Bundesregierung im Superwahljahr 2009 kein Unternehmen der 
Größenordnung von Arcandor vor die Wand fahren lässt. Doch Berlin 
schaltete zu Recht auf stur. Lehrreich mag in dieser Hinsicht das 
Wahlergebnis der Europawahl vom vergangenen Sonntag gewesen sein, in 
dem Otto Normalsteuerzahler ein klares Votum gegen die 
unkontrollierte Verschwendung von Steuergeldern abgab. Ganz abgesehen
davon, dass eine ungerechtfertigte Unterstützung für Arcandor jedem 
Bittsteller in Berlin Tür und Tor geöffnet hätte - vorausgesetzt, 
genügend Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.
Auch wenn das Heulen und Zähneklappern in Essen nun 
verständlicherweise groß ist, die Insolvenz bedeutet keineswegs das 
Aus für die 43000 Arbeitsplätze, die von der Insolvenz direkt 
betroffen sind. Vielmehr eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, für 
die verwertbaren Teile des Konzerns eine neue Heimat zu finden. 
Allerdings sei hier auch vor Unwägbarkeiten gewarnt, denn die 
Vertragsdetails aus den zahlreichen M&A-Transaktionen aus der Ära 
Middelhoff könnten noch manche Tücke bergen.
An Interessenten für die Filetstücke des traditionsreichen 
KarstadtQuelle-Konzerns mangelt es jedenfalls nicht, auch wenn 
abzuwarten bleibt, wie ernst gemeint die bisherigen 
Interessenbekundungen am Ende wirklich sind. Mit Metro-Chef Eckhard 
Cordes steht jedenfalls schon ein ernst zu nehmender Interessent im 
Startloch, der noch dazu an der politischen Entscheidung gegen 
Staatshilfen für Arcandor nicht unmaßgeblich mitgewirkt hat.
Vermutlich führt die Insolvenz zur Zerschlagung von Arcandor, auch
wenn gestern die Devise des Konzernerhalts ausgegeben wurde. Doch was
außer dem Verschieben von Vermögenswerten unter dem Konzerndach 
machte den Konzern in der Vergangenheit eigentlich aus? Von einem 
Zusammengehörigkeitsgefühl dürfte jedenfalls erst mit der Bedrohung 
durch die Insolvenz die Rede gewesen sein. Engere geschäftliche 
Verquickungen oder gar Synergien zwischen den drei Säulen gab es 
jedenfalls kaum. Ein Versäumnis, das auf die Zeit des Verschmelzens 
von Quelle auf Karstadt zurückgeht und mithin schon zehn Jahre her 
ist.
(Börsen-Zeitung, 10.6.2009)

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