Börsen-Zeitung: Gewinne als Impulsgeber, Kommentar zum Aktienmarkt von Thorsten Kramer
Frankfurt (ots)
Marktteilnehmer beschreiben das tägliche Geschehen an den Aktienmärkten derzeit sehr gerne in schwarz-weiß. Steigen die Kurse, so heißt es schnell, der Risikoappetit sei mit Macht zurückgekehrt. Fallen die Notierungen, so ist hingegen sofort von stark zunehmendem Pessimismus die Rede. Diese Aussagen mögen gewisse Aussagekraft haben, aber in erster Linie nur für einen Teil der Investorenschar: die spekulativ orientierten Anleger. Diese Gruppe steht hinter der Anfang März begonnenen Erholungsrally, die den Dax in der Spitze um rund 1600 Punkte bis auf 5177 Punkte trieb. Erst später kehrten auch Fondsmanager vorsichtig an den Markt zurück.
Die ganz kurzfristig ausgerichteten Akteure sind es nun auch, die bei der einen oder anderen enttäuschenden Neuigkeit - insbesondere von US-Konjunkturseite - gerne Kasse machen. Mit Pessimismus hat dies vermutlich aber nicht so viel zu tun, sondern eher mit der Sorge um die eigene Rendite.
Zugleich gibt es zurzeit am Markt eine Gruppe von Investoren, die trotz aller Warnungen einiger Aktienstrategen vor einer bevorstehenden Kurskorrektur daran glauben, dass die Indizes in den kommenden Wochen nochmal um einiges vorrücken werden, zumal die überall vorhandene, in der Summe enorm hohe Liquidität Anlageziele sucht. Die Investments dieser Anleger sichern den Markt nach unten ab. Und so scheint sich der Dax aktuell bei 4800 Punkten zu stabilisieren, nachdem er zuvor lange Zeit um den Sprung über 5000 Punkte gekämpft hatte - dieses Niveau aber nicht nachhaltig behaupten konnte.
Von Hoffnungen getragen
Der steile Kursanstieg der zurückliegenden Wochen wurde von einem Anstieg wichtiger Frühindikatoren getragen. Diese Daten schürten die Hoffnung, dass sich die Konjunktur zum Jahresende stabilisiert und die Wirtschaft 2010 sogar auf den Wachstumspfad zurückkehrt. Historisch betrachtet starteten die Börsen in etwa sechs Monate vor einem solchen Wendepunkt zu einem neuen Aufschwung. Nur, dass diesmal bis dato die Realdaten die Hoffnungen noch nicht untermauern.
Die Optimisten unter den Investoren setzen darauf, dass die nun im Laufe des dritten Quartals zur Veröffentlichung anstehenden Daten die Zuversicht stützen werden. Bis dahin hoffen sie, dass die bevorstehende Berichtssaison zum zweiten Quartal die Analysten positiv überrascht und die Aktienkurse dadurch einen neuen Aufwärtsimpuls erhalten. Den inoffiziellen Auftakt zur US-Berichtssaison macht wie gewohnt der Aluminiumkonzern Alcoa, der für den 8.Juli die Präsentation der Quartalszahlen geplant hat.
Positives Momentum
In den meisten Sektoren liegen die Gewinnerwartungen inzwischen so niedrig, dass man davon ausgehen kann, dass die Rezession bei den meisten Unternehmen ausreichend berücksichtigt und letztlich auch in den Aktienkursen eingepreist ist. Hinzu kommt, dass im Juni auf europäischer Ebene zwar erneut mehr negative als positive Korrekturen der Gewinnschätzungen zu verzeichnen waren, das Momentum aber den vierten Monat hintereinander aufwärts gerichtet ist, so dass beispielsweise die UBS die Prognose gibt, dass der von Downgrades geprägte Zyklus ausläuft.
Es ist allerdings zu fürchten, dass der positive Impuls, den die Entwicklung der Unternehmensgewinne liefern mag, in jedem Fall nur von kurzer Dauer sein kann. Denn mit Sicht auf das neue Jahr überwiegt quer durch alle Sektoren immer noch das Enttäuschungspotenzial. Bei 27 der 30 Dax-Konzerne rechnet der Konsens damit, dass die Erträge 2010 wieder deutlich wachsen. Dies passt aber kaum zu der vorherrschenden Prognose, dass eine konjunkturelle Erholung sehr schleppend verlaufen wird. Vor diesem Hintergrund dürfte es klar sein, dass der Markt auch in den kommenden Monaten vor allem von kurzfristig operierenden Investoren bestimmt wird. Insbesondere langfristig ausgerichtete Investoren, ohne die eine neue Hausse nur schwer zu realisieren ist, dürften dem Markt weiterhin fern bleiben. Die Hannover Rück kündigte vor dem Wochenende bereits an, dass sie in diesem Jahr die Finger von Aktien lassen will.
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