Börsen-Zeitung: Piëch-king, Kommentar zum Kompromiss zwischen VW und Porsche von Claus Döring
Frankfurt (ots)
Wendelin Wiedeking verlässt erhobenen Hauptes die Arena. Der Aufsichtsrat ist seinem Vorschlag gefolgt, mit einer Kapitalerhöhung um mindestens 5 Mrd. Euro den Sportwagenhersteller aus der finanziellen Notlage zu befreien. Selbst wenn die Porsche-Familienaktionäre kein frisches Geld, sondern ihre Salzburger Autohandelsholding als Sacheinlage einbringen sollten, wird der Beitrag der Vorzugsaktionäre von wenigstens 2,5 Mrd. Euro ausreichen, um die weiteren Verhandlungen mit VW zum integrierten Autokonzern nicht mit dem Messer an der Kehle führen zu müssen. Wie stichhaltig die Jokerkarte Katar wirklich ist, die der Porsche-Chef Wiedeking immer nur unter dem Ärmel hervorblitzen, aber nie wirklich sehen ließ, bleibt auch nach der Aufsichtsratssitzung offen. Denn den Einstieg der Scheichs darf nun ein Vorstand "endverhandeln", dem Wiedeking und sein kongenialer Finanzvorstand Holger Härter nicht mehr angehören.
Noble Gesten
Selbst wenn in der Fusionsfrage am Ende ein Kompromiss zwischen den Porsche- und den VW-Vorstellungen steht, war auch für Wiedeking längst klar, dass er persönlich im integrierten VW-Porsche-Konzern keine Zukunft mehr haben würde. Zu unterschiedlich die Führungskulturen, zu tief die gegenseitigen Verletzungen nach drei Jahren Machtkampf. Und als Befehlsempfänger von VW-Konzernchef Martin Winterkorn konnte man sich ihn sowieso nicht vorstellen.
Dass der Aufsichtsrat Wiedeking mit 50 Mill. Euro verabschiedet, ist deshalb eine noble Geste. Das operative Geschäft allein rechtfertigt eine solche Summe nicht. Doch haben Wiedeking und Härter mit den ach so gescholtenen Spekulationsgeschäften den Familienaktionären neben einer milliardenschweren Wertsteigerung überhaupt erst die Option verschafft, demnächst als Großaktionäre bei VW ans Lenkrad greifen zu können. Allein der variable Gehaltsanspruch für das in einer Woche zu Ende gehende Porsche-Geschäftsjahr könnte dem Golden Handshake entsprechen. Damit die deutsche Gesellschaft die hohe Abfindung für Wiedeking "verkraftet", gibt der Entlassene die Hälfte in eine gemeinnützige Stiftung. Auch eine noble Geste.
Porsche ohne Turbo
Ohne die Persönlichkeit Wiedeking ist Porsche allerdings nicht mehr das, was es die zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnte war und wurde, und zwar unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion und der Betonung der Unabhängigkeit Porsches. Die Zuffenhausener Sportwagenschmiede ohne Wiedeking ist wie ein Porsche ohne Turbo. Kein anderer Manager konnte die Extravaganz der Marke so verkörpern wie er. Porsche-Käufer zahlen nicht nur für technologische Exzellenz, sie zahlen vor allem für Emotion. In diese Welt passen deshalb weder "Stütze" noch Massenhersteller, selbst wenn Porsche viele Teile von VW bezieht.
Wie einst Jaguar?
Nun wird Porsche zur zehnten Marke im VW-Konzern und darf sich künftig mit Audi, Seat, Skoda & Co. am Futtertrog der Konzernfinanzen drängeln. Es ist nicht zu erwarten, dass Volkswagen die effizienten Strukturen aus Zuffenhausen übernimmt, sondern zu befürchten, dass umgekehrt Porsche nach und nach vom VW-Virus befallen wird. Denn Rentabilität ist in Wolfsburg dank der Gegenregierung der Betriebsräte lange Zeit ein Fremdwort gewesen. Was passieren kann, wenn ein Massenhersteller einen Luxus-Sportwagenbauer unter seine Fittiche nimmt, war am Beispiel Ford und Jaguar zu beobachten. Es endete mit dem Verkauf Jaguars nach Indien an Tata.
Intrigantenstadl
Bangen muss man aber nicht nur um die Zukunft von Porsche, sondern mehr noch um die von Volkswagen. Ein österreichischer Intrigantenstadl beherrscht demnächst Deutschlands nach Umsatz und Börsenwert größten Industriekonzern. Über Ferdinand Piëchs Führungskultur konnte man sich schon ein Bild machen, als er noch Vorstands- und dann Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen wurde. Wer ihm nicht ergeben folgte, wurde gefeuert. Dabei lässt sich nicht behaupten, dass Volkswagen unter Piëchs Führung, also in den Jahren 1993 bis 2002, besonders vorangebracht worden wäre. Erst nachdem er ausschied, lief es besser. Und die entscheidenden Weichenstellungen (Audi, China, Seat, Skoda), denen VW heute seine Bedeutung verdankt, waren unter Piëchs Vorgänger Carl H. Hahn erfolgt. Nicht unternehmerische Großtaten sind aus der Piëch-Ära in bleibender Erinnerung, sondern Lopez-Affäre, Spaltmaß-Fetischismus und Betriebsrat-Lustreisen.
Piëch, der sich bisher schon als heimlicher Herrscher des Volkswagen-Reiches gefühlt hat, wird nun VW-Großaktionär, ja de facto Mehrheitsaktionär. Denn dass er den auf den Namen Porsche lautenden Teil des Familienclans bei Bedarf aussticht, hat er gerade erst bewiesen. Für seine Vision von der Nummer 1 der weltweiten Autoindustrie wird er sich nicht mehr mit "Spielzeugen" wie Phaeton und Bugatti begnügen. Für die freien VW-Aktionäre beginnt ein Abenteuer.
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