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Börsen-Zeitung: Ein Sommermärchen, Kommentar zu den Finanzmärkten von Frank Bremser

Frankfurt (ots)

Es ist mal wieder die Zeit der Optimisten an den
Finanzmärkten: Eine sommerliche Kauflaune ist bei den Investoren 
hierzulande und auch anderswo eingekehrt. Vom Sommerloch fehlt jede 
Spur, und "Sell in May and go away" scheint in diesem Jahr auch nicht
allzu viele Anhänger gefunden zu haben. Der Dax kletterte neun Tage 
in Folge, bevor er am zurückliegenden Freitag leicht nachgab. Damit 
liegt er aber immer noch auf dem Niveau von Herbst 2008. Ein 
ähnliches Bild zeigen viele andere Aktienindizes in und außerhalb 
Deutschlands. Ein Sommermärchen?
Auch andere Märkte zeichnen ein optimistisches Bild: So tendiert 
der Dollar weiterhin zur Schwäche, ein Zeichen dafür, dass die 
Investoren dem Greenback, der als sicherer Hafen in Krisenzeiten 
gilt, nur noch geringes Interesse entgegenbringen. Und der Goldpreis?
Hier passiert bereits seit Wochen ausnehmend wenig. Ein anderes 
Edelmetall, Platin, das eine hohe industrielle Bedeutung hat, 
klettert munter nach oben - zum Teil wegen der Hoffnung auf ein 
Comeback der Automobilindustrie. So hat in der zurückliegenden Woche 
Ford überraschend einen Gewinn für das zweite Quartal gemeldet, was 
für eine höhere Nachfrage nach Katalysatoren spricht. Ein ähnliches 
Bild bei den Industriemetallen: Die Preise für Kupfer und Aluminium 
sind auf Neunmonatshöchsständen. Dazu steigen die Preise für Metalle,
die zur Stahlherstellung benötigt werden, wie Molybdän, deutlich. Und
die Liste lässt sich weiter fortsetzen: Der Ölpreis ist auf einem 
Dreiwochenhoch.
Risikoaufschläge sinken
Als wäre das noch nicht genug, sinken derzeit auch die 
Risikoaufschläge an den Credit-Märkten, der iTraxx Europe, der - grob
zusammengefasst - die Kosten der Absicherung gegen Kreditausfälle von
mit guten Ratings benoteter Unternehmen darstellt, ist bereits auf 
ein Niveau von vor der Lehman-Pleite gesunken, Ähnliches gilt für den
iTraxx Crossover, der die riskanteren Unternehmen abbildet. Und zum 
Schluss der gerade beendeten Handelswoche auch noch diese Nachricht: 
Zum vierten Mal nacheinander hellt sich der Ifo-Konjunkturindex in 
Deutschland auf und signalisiert damit Analysten zufolge eine 
Konjunkturwende. Mehr noch: Es gilt als Zeichen dafür, dass es sich 
bei den beiden vorherigen Verbesserungen nicht nur um eine 
"Erwartungsblase" gehandelt habe. Egal ob Aktien, Währungen, 
Rohstoffe oder Credits: Überall macht sich Optimismus breit. Aber wo 
kommt der plötzlich her? Schaut man auf die Märkte, hat man den 
Eindruck, als wäre die Krise ausgestanden und es stehe eine Epoche 
nahezu unbegrenzten Wachstums bevor - ein Sommermärchen, an das die 
Anleger glauben wollen.
Auffüllung der Lager
Dabei sind Zweifel immer noch mehr als angebracht. So hat sich in 
Wirklichkeit der positive Trend bei den volkswirtschaftlichen 
Indikatoren verlangsamt. Die erwartete V-förmige bzw. W-förmige 
Erholung lässt auf sich warten. Tatsächlich war die wirtschaftliche 
Belebung in den vergangenen Monaten auf die zahlreichen 
Konjunkturprogramme und die Auffüllung der Lager zurückzuführen.
Zuzugestehen ist immerhin, dass das Tempo des Abschwungs nachgelassen
hat. Zwar haben sich einige Frühindikatoren gebessert, was auf eine 
Erholung in sechs oder neun Monaten hindeuten könnte, aber letztlich 
ist die harte Realität immer noch bitter: So fielen die 
US-Beschäftigungszahlen zuletzt schlechter aus als erwartet, im Juli 
brach in den USA das Verbrauchervertrauen überraschend ein. 
Gefährlich, denn immer noch hängt die Weltwirtschaft am 
US-Konsumenten, der derzeit auch noch munter seine Sparquote in die 
Höhe fährt. Es ist außerdem immer noch fraglich, wie nachhaltig die 
Erholung bei den Unternehmen wirklich ist und wie die Banken mit der 
Kreditvergabe und ihrem eigenen Schuldenberg umgehen.
In der neuen Woche müssen nun die europäischen Unternehmen zeigen,  
ob sie sich wie ihre amerikanischen Konkurrenten besser geschlagen 
haben als erwartet. Und dann müssen bald auch harte Konjunkturdaten 
und nicht nur Stimmungsindikatoren beweisen, ob es sich um eine echte
Wirtschaftserholung handelt. Angesichts der aktuellen Marktstimmung 
muss aber gewarnt werden, dass ein Sommermärchen häufig wirklich nur 
ein Märchen ist.

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