Börsen-Zeitung: Neuer Rahmen für Versorger, Kommentar zur Zukunft der Kernenergie nach der Bundestagswahl von Andreas Heitker
Frankfurt (ots)
In der deutschen Energiewirtschaft werden bald neue Rahmen gesetzt. So viel ist schon unmittelbar nach der Bundestagswahl klar. Niemand zweifelt daran, dass Union und FDP jetzt rasch die Laufzeiten für die Atomkraftwerke verlängern werden. An diesem Wahlversprechen kommen sie nicht vorbei.
Allerdings wird auch der neuen Regierung klar sein, dass dies kein sehr populärer Schritt ist. Die Mehrheit der Deutschen lehnt die Kernenergie weiterhin ab - trotz des jetzigen Wahlausgangs. Deshalb wird die Verlängerung voraussichtlich erst einmal moderat ausfallen; ein Zeitraum von 10 bis 15 Jahren ist wahrscheinlicher als eine Ausweitung der Laufzeiten um 20 oder gar 25 Jahre. Auch wird die neue Regierung die Zusatzgewinne der Konzerne zumindest zum Teil wohl wieder abschöpfen. Experten gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte der wirtschaftlichen Vorteile einer Laufzeitverlängerung in den Kassen des Staates und nicht der Unternehmen landen wird.
Für die vier Atomkraftwerkbetreiber in Deutschland - Eon, RWE, EnBW und Vattenfall Europe - ist der Ausstieg aus dem 2002 vereinbarten Ausstieg trotz allem noch immer ein gutes Geschäft. Allein in der jetzt anstehenden Legislaturperiode hätten ja eigentlich sieben Atomkraftwerke vom Netz gehen sollen. Wie stark die Schonung der Cash-flows und die Stärkung der Nettogewinne ausfallen werden, hängt von der Ausgestaltung der neuen politischen Vorgaben ab sowie von der Entwicklung des Strompreises. Aber selbst vorsichtige Rechnungen zeigen, dass jeder der vier Versorger mehrere Milliarden Euro zusätzlich einplanen kann. Dass die Aktien von Eon und RWE zum Wochenauftakt das stärkste Handelsvolumen im Dax aufwiesen, verwundert daher kaum. Auch die Kurssprünge um je mehr als 4% sind nachvollziehbar. Die meisten Analysten halten sogar noch höhere Kurse für gerechtfertigt.
Es ist gut, dass die seit Jahren lähmende Diskussion um Laufzeitverlängerungen mit dieser Wahl erst einmal ein Ende findet. Die künftige Regierung sollte dies als Chance nutzen und die Ausarbeitung eines langfristigen energiepolitischen Gesamtkonzepts noch einmal auf die Tagesordnung nehmen. Dabei spielen erneuerbare Energien eine viel wichtigere Rolle als die Atomkraft. Die Koalition muss deshalb aufpassen, dass ihre Laufzeitpolitik nicht die Investitionen in Wind, Biomasse und Solar bremst.
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