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Börsen-Zeitung: Stabilitätsanker, Kommentar von Christof Roche zum EU-Defizitverfahren gegen Deutschland

Frankfurt (ots)

Deutschland steht wieder am Defizitpranger. Aber
ist es wie vor sieben Jahren, als es Blaue Briefe aus Brüssel 
hagelte? Auf keinen Fall! Das heutige EU-Verfahren ist Folge der 
milliardenschweren Stützungsprogramme, mit denen sich Berlin - mit 
ausdrücklicher Rückendeckung der EU übrigens - gegen die 
Wirtschaftskrise stemmt. Dass es diesmal nicht um den klassischen 
"Defizitsünder" geht, zeigt ein Blick auf die gesamte "Sünderbank": 
Von 27 Mitgliedstaaten sind 20 inzwischen mit Defizitverfahren belegt
- und auch die übrigen wird es wohl noch erwischen.
Hat sich der Stabilitätspakt mit seiner strikten Obergrenze von 3%
Defizit deshalb überlebt? Natürlich ist der Pakt nicht für die 
aktuelle Krise und deren budgetäre Folgen ausgelegt. Doch ist er das 
einzige im EU-Vertrag verankerte Regelwerk, das einen geordneten - 
und notfalls auch sanktionsbewehrten - Abbau staatlicher Defizite und
Schulden ermöglicht. Er ist darum heute genauso wichtig wie zum Start
der Währungsunion, um die notwendige fiskalische Disziplin 
einzufordern. Und solange die Akteure an den Finanzmärkten auf den 
Pakt und die innere Geschlossenheit Eurolands vertrauen, sind die 
Staaten auch vor drastischen Ausschlägen bei den Spreads ihrer 
Anleihen gefeit.
Was heißt das nun im konkreten Umgang mit der Krise? Der Pakt 
erlaubt es Brüssel, individuelle Konsolidierungspfade für die 
einzelnen Staaten zu entwerfen - und ist somit der Anker für Europas 
viel beschworene Exitstrategie. Aber er bietet noch mehr. Zum einen 
wird Brüssel mit der Defizit- und Schuldenkorrektur erstmals auch 
überfällige Strukturreformen mit der Konsolidierung verweben. Damit 
soll der dramatische Rückgang des Potenzialwachstums gestoppt werden,
damit Europa aus der Rezession gestärkt hervorgeht. Zum anderen will 
die EU-Behörde die öffentliche Sensibilisierung nutzen, um eine 
Debatte über ergänzende nationale Schuldenbremsen zu starten, wie sie
derzeit in der EU allein Deutschland im Grundgesetz verankert hat. 
Denn schon jetzt ist klar: "Spielräumen", wie etwa für 
Steuersenkungen, setzt die EU enge Grenzen. Die Brüsseler 
Durchschlagskraft würde aber noch erhöht, wenn der europäische 
Spardruck mit nationalen Sparzwängen unterfüttert wird - auch um 
solche Länder an die Kandare zu nehmen, die wie Frankreich schon vor 
der Krise nicht allzu eifrig konsolidieren wollten.
(Börsen-Zeitung, 8.10.2009)

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