Börsen-Zeitung: Nach der Krise ist vor der Krise, Kommentar zum Jahresschluss von Claus Döring
Frankfurt (ots)
So also sieht Krise aus: Die Wirtschaft in Deutschland schrumpft um 5%, und der Dax 30 klettert auf Jahresbasis um gut 25%. Was ist das für eine angebliche Jahrhundertkrise, in der die Arbeitslosenquote im Jahresvergleich mit 7,6% nur einen halben Prozentpunkt höher liegt und die Arbeitslosenzahl für Deutschland mit jahresdurchschnittlich 3,4 Millionen gottlob weit hinter den Befürchtungen bleiben wird? Passt es zum Krisenszenario, dass Preisstabilität herrscht? Kann man von Krisenjahr reden, wenn die Dax-30-Unternehmen an ihre Aktionäre für 2009 voraussichtlich 20 Mrd. Euro Dividenden ausschütten werden nach 23 Mrd. Euro im Jahr zuvor? Riecht es nach Krise, wenn die Wähler dem bürgerlich-liberalen Lager zur Mehrheit verhelfen?
Dass die Krise bei vielen Menschen noch nicht angekommen ist, ja als Avatar einer anderen Welt empfunden wird, ist den Regierungen und Notenbanken in der realen Welt zu verdanken. Mit geschätzten 30 Bill. Dollar haben sie bisher der Krise den Beigeschmack der Katastrophe genommen. Dass sie damit die produktiven Kräfte der Krise in die richtige Richtung gelenkt hätten, lässt sich leider noch nicht behaupten. Denn die Nullen aus dem virtuellen Casino der Banken hängen nun an den Schuldenständen der öffentlichen Haushalte und den Bilanzsummen der Notenbanken.
An den Verhaltensweisen, Anreizen und Rahmenbedingungen jedoch, die in die Krise geführt haben, hat sich weltweit nicht viel geändert. Zu wenig jedenfalls, um nach zwei geplatzten Blasen in nur einem Jahrzehnt nicht bald schon die nächste Blase entstehen und platzen zu sehen. Denn wie nach der New-Economy-Bubble ist auch jetzt die Krisenbekämpfung der Nährboden für die nächste Blase.
Es scheint, als würden Politik und Notenbanken nicht dazulernen. Wieder suchen die Regierungen das Heil in nie da gewesener Verschuldung, gerieren sich die Notenbanken, allen voran die amerikanische Fed, als Institute mit Bad-Bank-Abteilung und angeschlossener Notenpresse. Die Folge wird die gigantischste Umverteilung der Geschichte sein. Die Steuerzahler stehen in der Haftung, und noch ihre Kinder werden zur Kasse gebeten werden für das kollektive Versagen der Finanzbranche einschließlich ihrer Aufseher.
Vielleicht gab es für die deutsche Regierung zu dieser Art der Krisenbekämpfung keine Alternative. Nationale Alleingänge sind in Zeiten der Globalisierung kaum möglich. Umso dringender wäre es nun, den Schuldenabbau anzugehen. Stattdessen plant die Bundesregierung eine rekordhohe Nettoneuverschuldung von 86 Mrd. Euro und verteilt mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Wohltaten an ihre vermeintliche Klientel. Die Antwort, wie sie die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse einhalten und ab 2011 jährlich 10 Mrd. Euro einsparen will, bleibt sie schuldig.
Allein die Hoffnung auf eine anspringende Konjunktur reicht nicht. Schön wär's ja, wenn die Prognosen mancher Banken-Volkswirte für 2010 zuträfen: Dass nicht nur die Weltwirtschaft, sondern auch Deutschland einen robusten Aufschwung erleben werde. Doch woher soll er kommen hierzulande? Viele Unternehmen haben sich mit Kurzarbeit und Überstundenabbau über 2009 hinweggerettet. Jetzt kommt das Jahr der Wahrheit - für nicht wenige Branchen und Unternehmen der bitteren Wahrheit. Sie werden die Kapazitäten zurückfahren und Stellen abbauen müssen. Die Folge: Investitionen bleiben aus, die Beschäftigung sinkt, die Nachfrage leidet.
In der Vergangenheit ist die deutsche Wirtschaft aus solchen Krisen gestärkt hervorgegangen, haben die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Aus dem vermeintlichen Nachteil der Exportlastigkeit wurde ein Vorteil. Voraussetzungen waren allerdings Auslandsmärkte mit Wachstum, zuletzt allen voran China. Doch genau dort könnte nach den liquiditätsgetriebenen Preissprüngen bei Aktien und Immobilien die nächste Blase platzen und die weltweite Hausse auf Pump abrupt beenden.
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