Börsen-Zeitung: Siemens setzt Signal, Kommentar zur Siemens-Investorenkonferenz von Michael Flämig
Frankfurt (ots)
Eigentlich ist nicht viel passiert. Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser tritt bei einer Investorenkonferenz in New York auf, umreißt qualitativ den Verlauf des ersten Quartals des Geschäftsjahres, und die Börse schickt die Siemens-Aktie anschließend fast im Gleichtakt mit den übrigen 29 Dax-Werten aus dem Handel. Scheinbar reine Routine also. Doch die Angaben von Kaeser haben einen zweiten Blick verdient.
Denn im ersten Quartal ist Siemens ein Kunststück der besonderen Art gelungen. Trotz eines Umsatzrückgangs im wohl niedrigen zweistelligen Prozentbereich hat der Konzern den operativen Gewinn erhöht. Solche Zaubertricks mag das Publikum von der Finanzbranche so gewöhnt sein, dass sie gar nicht mehr als Besonderheit wahrgenommen werden.
Doch bei einem Industriebetrieb, dessen Wertschöpfung auf Fabriken und deren Vollauslastung aufbaut, ist diese Leistung erstaunlich. Schließlich zerstört nichts so drastisch die Margen wie brachliegende Produktionskapazitäten. Sicherlich wäre die Siemens-Performance ohne Kurzarbeit undenkbar. Doch hinzu kommt eine Leistung des Managements, die sich im Vergleich zur Konkurrenz zunehmend als herausragend erweist.
Im ersten Quartal beweist sich zugleich eine weitere Qualität von Siemens. Die Münchner dirigieren ein Portfolio, das stark diversifiziert ist, ohne zu zerfasern. Während im vergangenen Jahr die kurzzyklischen Aktivitäten horrende Umsatzeinbußen hinnehmen mussten, haben langfristig angelegte Geschäfte wie etwa im Energiesektor die Fahne hochgehalten. Im Jahr 2010 dreht sich das Bild. Die Langzykliker geraten zunehmend unter Druck, während beispielsweise die angeschlagene Osram oder die gebeutelte Automatisierungstechnik sich wieder berappeln. Der Konzern als Ganzes bleibt dank dieser austarierten Geschäftsverteilung weitgehend auf Kurs.
Nun sollte niemand den Fehler machen, gleich in Hurra-Stimmung zu verfallen. Der Aktienkurs spiegelt die Leistung von Siemens zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon ausreichend wider. Außerdem ist alles relativ. Siemens kommt gut durch die Krise, sicherlich. Aber trotzdem ist die Krise unverändert da. Ohne punktuelle, aber durchaus gewichtige Restrukturierungen wird auch bei Siemens das Jahr nicht zu bewältigen sein. Der Härtetest folgt, wenn Kurzarbeit und Überstundenabbau ausgereizt sind.
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