Börsen-Zeitung: Seufzer der Erleichterung, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Die jüngsten Entscheidungen auf dem europäischen Parkett hinsichtlich eines Rettungspakets für das hoch verschuldete Griechenland sind an den Kapitalmärkten mit einem Seufzer der Erleichterung aufgenommen worden, die Märkte haben sich zum Wochenausklang recht freundlich entwickelt: Der Dax hat im Wochenvergleich 2,3% auf 6120 Zähler zugelegt, der Euro kletterte am Freitag zumindest zeitweise wieder über 1,34 Dollar. Und der Risikoaufschlag, den Investoren für zehnjährige griechische Staatsanleihen im Vergleich zu den entsprechenden Bundesanleihen verlangen, hat sich auf 307 Basispunkte nach 320 Basispunkten am Vortag weiter reduziert.
Für die Marktteilnehmer sind zwei Ereignisse gleichermaßen von großer Bedeutung: Einerseits die Einigung auf ein Hilfspaket, das nur als letztes Mittel dienen und nur unter Beteiligung des Internationalen Währungsfonds IWF geschnürt werden soll. Und andererseits die Tatsache, dass die Europäische Zentralbank (EZB) über das Jahresende 2010 hinaus Papiere mit einem Mindest-Rating "BBB-" als Sicherheiten für die Versorgung mit Liquidität akzeptieren will. Denn würde die EZB dann bereits zu den Gepflogenheiten von vor der Krise zurückkehren (nämlich zu einer Mindestanforderung von "A-"), wäre die Akzeptanz griechischer Staatsanleihen bei der Notenbank gefährdet. Sie werden derzeit nämlich mit "A2/BBB+" und negativem Ausblick zumindest von Standard&Poor's und Fitch unterhalb der alten EZB-Demarkationslinie eingestuft, bei Moody's nur ganz leicht darüber.
Zudem will die Notenbank ihre bislang recht digitale Vorgehensweise, dass sie Papiere entweder akzeptiert oder zurückweist, durch einen graduellen Ansatz von Abschlägen für verschiedene Risikoklassen ersetzen. Der Kurswechsel der EZB wird von den Marktteilnehmern mit großer Erleichterung aufgenommen. Denn wie die Analysten von Goldman Sachs zurecht anmerken, hatte die strenge Sicherheiten-Politik der EZB mit ihrer rigiden Grenzziehung im Repo-Geschäft im Prinzip dazu geführt, dass sie den Ratingagenturen quasi einen Nuklearsprengsatz in die Hände gab. Den Ratingagenturen die Entscheidung über die EZB-Fähigkeit von Papieren zu überlassen, sei schon in normalen Zeiten unangemessen gewesen. In der Krise aber wären die Folgen einer solchen Politik unter Umständen schwerwiegend, betonen die Goldman-Experten.
Die nun bestehende Aussicht, dass ein Hilfspaket im Ernstfall auf den Weg gebracht wird und dass auch der wegen seiner strengen Auflagen gefürchtete IWF im Boot sitzt, entschärft die Griechenland-Problematik ein wenig. Dem Land ist es im Februar und März zwar gelungen, über den Bondmarkt 8 bzw. 5 Mrd. Euro aufzunehmen. Über den Berg sind die Südeuropäer damit aber noch lange nicht. Im Gesamtjahr 2010 müssen sie nämlich nach einer Überschlagsrechnung von Goldman Sachs an Tilgungen, Zinszahlungen und Defizit-Deckung rund 50 Mrd. Euro aufbringen. Bislang haben sie aber mittels Bond- und Geldmarktpapieren sowie einem kleinen Haushaltsüberschuss durch Einsparungen erst etwas mehr als 19 Mrd. Euro vorzuweisen. Es klafft also immer noch eine gewaltige Finanzierungslücke, die es wahrscheinlich macht, dass Griechenland die inzwischen notgedrungen auch von Deutschland angebotene Hilfe zum Jahresende hin wird annehmen müssen.
Apropos Nuklearsprengsatz: An den Märkten ist man sich einig, dass dem Finanzsystem im Fall einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands etwas droht, das sich wohl am besten mit einer Wasserstoffbombenexplosion vergleichen lässt. Denn wie Patrick Artus, der bekannte Chefvolkswirt von Natixis, aktuell vorrechnet, haben europäische Banken bei griechischen Staatsanleihen 140 Mrd. Euro im Feuer und bei Spanien - das Thema der iberischen Zahlungsfähigkeit käme dann unweigerlich auf - rund 120 Mrd. Euro.
Dies scheint nun aber vorerst abgewendet, sodass die Akteure durchatmen und sich auf andere den Markt beeinflussende Faktoren konzentrieren können. Kurzfristig sind die noch immer positiv überraschenden Frühindikatoren wie zuletzt der Ifo-Index das Thema. Wie lange diese Unterstützung noch anhält, steht freilich in den Sternen. Die meisten Ökonomen sind in diesem Punkt eher pessimistisch. Der aktuelle Aufwärtstrend an den europäischen Aktienmärkten dürfte dann auslaufen - trotz der Griechenland-Einigung.
(Börsen-Zeitung, 27.3.2010)
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