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Börsen-Zeitung: Der Anfang vom Ende des Euro, Kommentar von Bernd Wittkowski zum europäischen Hilfspaket für Griechenland

Frankfurt (ots)

Die Bundesbank sollte anfangen, D-Mark-Banknoten
drucken zu lassen. Denn das von den Euro-Staaten geschnürte 
Hilfspaket für Griechenland bedeutet wirtschaftlich den endgültigen 
Übergang von der Stabilitätsgemeinschaft zur Transferunion, 
juristisch einen flagranten Vertragsbruch und politisch den 
europäischen Sündenfall schlechthin. Damit ist dieser Bail-out der 
Anfang vom Ende des Jahrhundertprojekts Europäische Währungsunion. 
Die Rückkehr zum nationalen Geld in den Mitgliedsländern erscheint 
geboten.
Der Kommentator, in den neunziger Jahren ein geradezu 
unverbesserlicher Euro-Befürworter, hatte die soeben eingeführte 
Gemeinschaftswährung Anfang 1999 an dieser Stelle als "Glücksfall" 
begrüßt und zur Begründung unter anderem auf ein Zitat des ehemaligen
Präsidenten des Europaparlaments, Klaus Hänsch (SPD), verwiesen: "In 
Wahrheit haben elf unabhängige Nationen, die jahrhundertelang mit 
Krieg und Verwüstung, Raub und Mord übereinander hergefallen sind, 
den wohl wichtigsten Teil ihrer Souveränität - das eigene Geld - auf 
die Europäische Union übertragen." Diese politische Dimension des 
Projekts, hieß es in unserem Leitartikel damals weiter, ergänze sich 
auf wundervolle Weise mit dem erreichten ökonomischen Quantensprung; 
ebendas mache den Euro zum Glücksfall. Immense Transaktions- und 
Kurssicherungskosten entfielen, es entstünden Preistransparenz und 
Kalkulationssicherheit, währungsbedingte Wettbewerbsverzerrungen 
zulasten von Exporten, Wachstum und Arbeitsplätzen würden beseitigt. 
Als monetär gekrönter Binnenmarkt avanciere Euroland zur 
Wirtschaftsweltmacht, gerade auch hinsichtlich des Gewichts seiner 
Kapitalmärkte.
Diese Argumente für eine Einheitswährung sind mitnichten obsolet. 
Aber ein auf Lug und Trug gebauter, gegen den Geist und wohl auch 
gegen den Wortlaut des Maastrichtvertrags verstoßender, nur mit 
Tricksereien zusammengehaltener Geldverbund war mit dem "Glücksfall" 
nicht gemeint. Die EU ist zu Recht auch eine Solidargemeinschaft. 
Kohäsionsfonds und andere Programme zur Einebnung ökonomischer 
Ungleichgewichte waren und sind im Interesse des Friedens und des 
wirtschaftlichen Zusammenhalts sinnvoll und notwendig. Die 
Währungsunion mag darüber hinaus, wie EZB-Präsident Jean-Claude 
Trichet meint, sogar eine "Schicksalsgemeinschaft" sein. Beides darf 
aber nicht darauf hinauslaufen, dass sich ein Staat die 
Clubmitgliedschaft mit gefälschten Zahlen erschleicht und später das 
Regelwerk so hingebogen wird, dass die anderen Mitglieder auch noch 
die Zeche für denjenigen zahlen, der jahrelang über seine 
Verhältnisse gelebt hat.
Die Nichtbeistandsklausel des EU-Vertrags ist eindeutig: Weder die
Union als Ganzes noch einzelne Mitglieder dürfen für 
Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedstaates oder dessen 
Untergliederungen haften oder für derartige Verbindlichkeiten 
eintreten. Was sonst als ein klassischer Bail-out in diesem Sinne ist
es, wenn die Euro-Länder jetzt bis zu 30 Mrd. Euro an bilateralen, 
von Brüssel zu bündelnden Krediten zu einem unter das für 
Griechenland maßgebliche Marktniveau heruntersubventionierten 
Zinssatz allein für Jahr 1 eines Hilfebedarfs in Aussicht stellen?
Dieser Rechtsbruch, durch den hierzulande wieder einmal die KfW 
als Schattenhaushalt instrumentalisiert werden soll - der deutsche 
Steuerzahler ist mit bis zu 8,4 Mrd. Euro mit von der Partie -, wird 
nicht dadurch geheilt, dass man insgeheim hofft, die 
Unterstützungszusage werde die Märkte so beeindrucken, dass am Ende 
die Unterstützung selbst nicht mehr gebraucht wird. Mit solchen 
Winkelzügen wird der letzte Rest des in der Bevölkerung ohnehin nicht
sonderlich ausgeprägten Vertrauens in den Euro zerstört. Die EZB hat 
dazu ihren Teil bereits beigetragen, als sie jüngst die Lockerung der
Anforderungen an die als Sicherheit für Zentralbankkredite 
akzeptierten Wertpapiere verlängerte - eine klare "Lex Griechenland".
Der Vertrauensschaden wird jenseits der kurzfristig erreichten 
Marktberuhigung umso gravierender und nachhaltiger sein, als es sich 
bei dem Rettungsversuch für die Hellenen ja absehbar nicht um eine 
Einmalaktion handelt. Der Feuerlöscher, stellte die Bundesregierung 
fest, hänge nun an der Wand. Mal davon abgesehen, dass niemand weiß, 
ob der Löschschaum ausreichen wird, um den Großbrand an der 
griechischen Wirtschafts- und Finanzfront zu bekämpfen: Worauf Berlin
nicht hinweist, ist, dass sich andere Brandstifter nun erst recht 
herzlich eingeladen fühlen dürfen, am europäischen Haus zu zündeln - 
die Gemeinschaft wird, wie man sieht, schon nichts anbrennen lassen. 
Das gilt für andere Euro-Länder mit außer Kontrolle geratener 
öffentlicher Verschuldung. Es gilt aber auch für deren Gläubiger: für
die Banken, die nach dem Bail-out im Zuge der Finanzkrise aufs Neue 
von den Staaten herausgepaukt werden, ebenso wie für die Anleger in 
Griechenland-Anleihen. Schön für Kreditgeber und Investoren - aber 
ganz und gar nicht im Sinne der Väter und der Befürworter des Euro. 
Hier ist das Bundesverfassungsgericht gefordert. Und die Bundesbank 
sollte gut vorbereitet sein.
(Börsen-Zeitung, 13.4.2010)

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