Börsen-Zeitung: XS-Minister Brüderle, Kommentar zum Herbstgutachten von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
Der Bundeswirtschaftsminister jubiliert: "Der XL-Aufschwung geht weiter", frohlockte Rainer Brüderle (FDP), nachdem die Wirtschaftsforschungsinstitute in Berlin ihr Herbstgutachten präsentierten. Für 2010 haben die Forscher tatsächlich die Wachstumserwartung im Vergleich zum Frühjahr auf 3,5% mehr als verdoppelt. Zudem verkündeten sie die frohe Botschaft, dass die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt 2011 unter die Marke von drei Millionen sinken wird.
Brüderle kennt - nicht überraschend, aber vorschnell - den vermeintlichen Urheber dieser Entwicklung: die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen zur Wachstumsbeschleunigung. Hier irrt Brüderle. Entweder hat er das Gutachten nicht vollständig gelesen oder leidet zumindest unter der Schwäche selektiver Wahrnehmung. Die Belebung der Konjunktur und deren positives Durchschlagen auf den Arbeitsmarkt ist nicht Verdienst der aktuellen Regierung, sicher nicht der FDP. Die rot-grüne Regierung war es, die mit den Reformen am Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen entscheidende Strukturreformen angelegt hatte, die sich heute auszahlen. Die große Koalition hat diesen Kurs fortgesetzt - und mit konjunkturstützenden Maßnahmen die Krisenfolgen gepuffert. Die amtierende Regierung ist indessen bisher mehr durch Streit, denn durch konstruktive Politik aufgefallen.
Die Forscher prognostizieren zudem schon 2011 einen Dämpfer für das Wachstum und warnen vor weltwirtschaftlichen Risiken wie der wackeligen Konjunktur in den USA, überhitzten Immobilienmärkten in China und der Schulden- und Vertrauenskrise in einigen Euro-Staaten. Das klingt weniger nach "eXtra Large" oder "XL". Die deutsche Wirtschaft ist gerade einmal dabei, den krisenbedingten Produktionseinbruch wettzumachen.
Die Schuldenlast ist in Deutschland mit der Krise explodiert. Zu Recht dringen die Forscher auf Abbau, denn überbordende Kreditfinanzierung beschränkt nicht nur den Handlungsspielraum der Politik, der Fall Griechenland steht auch für alle Länder als Warnung, die sich finanziell für unverwundbar halten. Brüderle plädiert - neben Konsolidierung - nur mit allgemeinen Worthülsen dafür, Eingriffe in die Marktwirtschaft zurückzunehmen und Eigenverantwortung zu stärken. Der Ideenreichtum aus dem Wirtschaftsministerium verdient die Note XS - eXtra Small.
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