Börsen-Zeitung: Immenser Ansporn, Kommentar zum Rekordwachstum der deutschen Wirtschaft von Reinhard Kuls
Frankfurt (ots)
So etwas hat es im vereinten Deutschland noch nicht gegeben: 3,6% Wirtschaftswachstum innerhalb eines einzigen Jahres - und das nach der schärfsten Rezession seit dem Weltkrieg mit einem tiefen Fall um fast 5%. Deutschland kann stolz auf sich sein. Stolz auf die Reformanstrengungen der vergangenen Jahre, die auch Jahre des Lohnverzichts zugunsten von Arbeitsplatzsicherheit und der Umstrukturierungen auf Seiten der Unternehmen waren, um im harten internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Letzteres ist der deutschen Exportwirtschaft eindrucksvoll gelungen, denn die Ausfuhren haben 2010 den vorjährigen Einbruch praktisch wieder nivelliert. Die Importe konnten mit dieser Erholung zwar nicht mithalten, zogen aber erheblich stärker an, als sie zuvor abgesackt waren. Dennoch fiel 2010 der positive Wachstumsbeitrag aus dem Außenhandel mit einem knappen Drittel lange nicht so groß aus, wie man dies von einer Volkswirtschaft erwarten könnte, der von mancher Seite übergroße Exportlastigkeit vorgeworfen wird. Die weitaus größeren Impulse kamen aus der Binnennachfrage und hier vor allem von Unternehmensseite. Denn die Investitionen, vor allem in Maschinen und Anlagen, aber auch in Bauten, wurden 2010 wieder kräftig erhöht, auch wenn der Absturz von 2009 damit noch nicht wettgemacht ist.
Noch nicht ganz ausgeglichen ist auch der gesamtwirtschaftliche Produktionsverlust aus der 2009er-Rezession. Aber es dürfte nur noch wenige Monate dauern, bis auch dieser wettgemacht ist. Und dann hätte Deutschland einen weiteren Grund, stolz zu sein, denn dies wäre Jahre früher als noch zu Beginn des Aufholprozesses gedacht.
Stolz zu sein heißt freilich noch lange nicht, sich Selbstzufriedenheit erlauben zu dürfen. Im laufenden Jahr schon wird sich eine etwas ruhigere Gangart einstellen, allein schon weil weltweit viele der zur Abwehr der Rezession aufgelegten Konjunkturprogramme auslaufen. Das Rekordwachstum verschafft aber Deutschland etwas Luft, um gemeinsam mit seinen EU-Partnern die Euro-Krise und das daraus resultierende Konjunkturrisiko dauerhaft abzuwehren. Und es sollte Deutschland Ansporn sein, durch weitere Reformen und entsprechende Investitionen etwa in die Aus- und Weiterbildung seiner jungen Menschen und aller Beschäftigten mittelfristig auf einen höheren Wachstumspfad zu gelangen.
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