Börsen-Zeitung: George im Glück, Kommentar zum britischen Schatzkanzler von Carsten Steevens
Frankfurt (ots)
Vor den Unterhauswahlen im Mai vorigen Jahres wurde vorausgesagt, dass der neue Finanzminister Großbritanniens innerhalb von sechs Monaten zur unpopulärsten Figur auf der Insel werden würde. In Anbetracht der angekündigten Steuererhöhungen sowie der drastischen Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben erschienen solche Prognosen durchaus plausibel. Nach Island und Irland beschloss kein anderes westeuropäisches Land härtere Sparmaßnahmen zur Sanierung des Staatshaushalts. Doch zehn Monate nach Bildung der ersten Koalitionsregierung in Großbritannien seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs lässt sich feststellen: Das Schicksal hat es - bislang - gut gemeint mit dem Schatzkanzler George Osborne.
Das Haushaltsdefizit gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung hat sich im gerade ablaufenden britischen Finanzjahr von 11,1% auf voraussichtlich 9,9% verringert. Die Wirtschaft erholt sich, wenn auch mühsamer als erwartet. Die Rechnung, zum Erreichen des EU-Defizitziels von 3% bis 2015 kurzfristig Rückschläge beim konjunkturellen Aufschwung in Kauf zu nehmen, geht auf - zumindest bis jetzt. Um das höchste Rating bei den Bonitätswächtern zu halten, segelt der Finanzminister jedoch hart am Wind. Das Fiskaljahr mit den härtesten Einschnitten beginnt nun erst. Der Privatsektor muss die negativen Auswirkungen der schrumpfenden öffentlichen Investitionen ausgleichen. Wie gut er dies kann, ist fraglich. Dass die Wirtschaft Großbritanniens im vierten Quartal 2010 wegen kurzer, heftiger Schneefälle unerwartet um 0,6% schrumpfte, hat Osborne hart getroffen.
Auf Impulse durch die Binnennachfrage kann der Finanzminister bis auf Weiteres nicht setzen. Die jetzt von 2,1% auf 1,7% revidierte Wachstumsprognose für 2011 spiegelt das wider. Die Inflationsrate von zuletzt 4,4% übertrifft die durchschnittliche Lohnsteigerungsrate im britischen Arbeitsmarkt bei Weitem. Sollte die Weltwirtschaft nicht mitspielen und die Bank of England wegen der absehbar erhöhten Preissteigerungsraten die Zinszügel allzu kräftig anziehen, könnte der Konjunkturverlauf auf der Insel tatsächlich unangenehm holprig werden. Gestern konnte der Finanzminister - ermutigt von der OECD, nicht vom strengen Kurs der Haushaltskonsolidierung abzuweichen - fiskalisch neutrale Maßnahmen präsentieren. Die zuversichtliche Botschaft des Budgets für 2011: Einen Plan B braucht es nicht.
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