Börsen-Zeitung: Im Kriechgang, Kommentar von Gottfried Mehner zum VW-Übernahmeangebot für MAN
Frankfurt (ots)
So ganz erschließt es sich einem nicht, warum Volkswagen nicht den Rahmen der diesjährigen Hauptversammlung genutzt hat, um den neuesten Schachzug in der Lkw-"Strategie" zu verkünden. Billiger ist es seitdem nicht geworden. Eher andersherum. VW-Chef Martin Winterkorn hatte vor den Aktionären nur das Wolfsburger Glaubensbekenntnis erneuert, weltweit zum führenden Mobilitätskonzern aufzusteigen. Ach ja, und dass das Segment der schweren Lkw und Busse ein "hochinteressantes strategisches Geschäftsfeld" sei. Wer wollte das in Abrede stellen.
Er hatte dann bezüglich MAN und Scania von einer "Partnerschaft auf Augenhöhe" gesprochen und schnell hinzugefügt, dass aber alle Geschäftsfelder und die markenspezifischen Eigenschaften der beiden Trucker "unantastbar" blieben. Ja was denn nun? Wer danach auf Durchzug schaltete und unterstellte, dass in diesem Jahr bei Scania & Co. wieder nichts passiert und Volkswagen der Hängepartie bei Porsche eine weitere hinzufügt, ging in die Irre.
VW hatte schon seit einiger Zeit herumgeraunt, dass die Hebung der vollen Synergiepotenziale eine "veränderte Beteiligungsstruktur" erfordere. Das war vieldeutig. An den Märkten interpretierten das einige so, dass offensichtlich bei Scania ein Anteilsaufbau auf über 95% angedacht sei, bei dem das Unternehmen dann - nach einem Squeeze-out - voll integriert werden könnte. Danach hätte Scania auch noch ein Übernahmeangebot für MAN abgeben können. Die Vertragsverlängerung von Scania-Chef Leif Östling bis weit über sein 65. Lebensjahr hinaus schien diese Vermutungen zu stützen.
Aber bei Volkswagen kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Es gilt jetzt die Vokabel "integrierter Nutzfahrzeug-Konzern" zu lernen. Aber so schnell wird es mit einem neuen schlagkräftigen Lkw-Verbund, der nach Mercedes und Volvo auf Rang 3 rangieren würde, nichts. In einem ersten Schritt will sich Volkswagen bei MAN nur an die Hauptversammlungsmehrheit von 35 bis 40% heranrobben. Beim jetzt fälligen Pflichtangebot, nachdem die 30%-Marke überschritten wurde, wird keinerlei Prämie gezahlt.
Die MAN-Aktionäre sollen gefälligst an Bord bleiben. Damit ist ein direkter Konzerndurchgriff nicht möglich. Es gilt weiter "arm's length". Das muss kein Nachteil sein, nur deutet "integriert" auf etwas anderes hin. So ist diese Lkw-Allianz von der Einsichtsfähigkeit der handelnden Personen abhängig. In dieser Hinsicht kam VW bislang aber nur im Kriechgang vom Fleck.
(Börsen-Zeitung, 10.5.2011)
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