Börsen-Zeitung: Am seidenen Faden, Kommentar zu Griechenland von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
In Griechenland spitzt sich die Lage immer mehr zu. Was von Seiten des griechischen Regierungschefs Giorgos Papandreou als ein Befreiungsschlag gedacht war, hat zu einer ausgewachsenen Regierungskrise geführt. Eine auf das im Land stark umstrittene Sparpaket eingeschworene Regierung der nationalen Einheit hätte dem Land und den Märkten eine gewisse Sicherheit gebracht. Dazu kommt es aber nicht, Oppositionsführer Antonis Samaras hat sich dem entzogen.
Der Grund dafür ist sogar einigermaßen nachvollziehbar: Die wichtigste Oppositionspartei Nea Demokratia und ihr Chef Samaras haben sich unter dem Eindruck der an Intensität zunehmenden Proteste der Bevölkerung auf die Forderung festgelegt, das Rettungspaket mit Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds komplett neu zu verhandeln. Damit sind die Differenzen zwischen Regierung und Opposition einfach zu groß, als dass beide Parteien ohne Gesichtsverlust in einer Regierung zusammenarbeiten könnten.
Das Kabinett Papandreou ist nun schwer angeschlagen, seine politische Zukunft hängt am seidenen Faden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der gegenwärtige Ministerpräsident in Kürze sein Amt zur Verfügung stellen wird oder einer wohl von ihm initiierten Vertrauensabstimmung im Parlament zum Opfer fällt, ist hoch. Es ist nämlich längst nicht mehr sicher, dass Papandreou noch über eine Mehrheit verfügt. Mit Blick auf tatsächliche und angebliche soziale Ungerechtigkeiten des Rettungs- und Sparpakets läuft ihm der linke Flügel der regierenden Sozialistischen Partei davon. Da hilft auch eine Kabinettsumbildung nicht viel.
Die Märkte haben auf die zunehmend unsichere Lage in Athen wie erwartet reagiert: Die Kosten der Kreditausfallversicherungen auf griechische Staatsanleihen sind kräftig weiter gestiegen und haben einen neuen Rekord erreicht. Der Euro steht unter deutlichem Verkaufsdruck.
Zu einem Absturz des Euro ist es allerdings nicht gekommen. Denn während sich noch längst nicht alle Politiker den Realitäten stellen, ist es den Marktteilnehmern seit langem klar, dass es zu einer Umschuldung des Landes kommen wird - entweder geordnet im Rahmen eines weiteren Rettungspakets oder ungeordnet und chaotisch im Rahmen eines Zusammenbruchs der Regierung und eines waschechten Staatsbankrotts. Die unrealistischen Forderungen der griechischen Opposition wie auch die Verzögerungstaktik einiger EU-Regierungen lassen letztere, für die Märkte wesentlich unangenehmere Alternative wahrscheinlicher werden.
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