Börsen-Zeitung: Vom Reißbrett, Kommentar zu Schuldentilgungsfonds von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
In großer Einmütigkeit präsentierten die fünf Wirtschaftsweisen mit ihrem Jahresgutachten den Vorschlag eines europäischen "Schuldentilgungsfonds". Das ist umso erstaunlicher, als bislang ein Riss durch die Gruppe ging. Peter Bofinger favorisierte die bei den anderen verpönten Euroland-Bonds, die Deutschland in eine Gemeinschaftshaftung für die Schulden der anderen Euro-Länder treiben würden. Nichts anderes als eine Gemeinschaftshaftung schlagen die Wirtschaftsweisen jetzt vor, und doch unterscheidet sich das Modell erheblich.
Denn es verknüpft die Vorteile der Euroland-Bonds - Zinserleichterungen für geschwächte Euro-Länder - und vermeidet die Nachteile. In den Genuss der günstigeren Finanzierung für den überbordenden Teil ihrer Verschuldung kommen nur solche Länder, die sich auf einen strikten Konsolidierungs- und Reformkurs verpflichten und Schulden tilgen. Wer schwächelt, fliegt raus. Am Ende dieses auf 20 bis 25 Jahre angelegten Fonds wäre die Schuldenbürde der Teilnehmer kleiner: ein echtes Novum.
Die Absichten des Sachverständigenrates sind nobel. Alte Gedankenmodelle funktionieren seit dem Ausbruch der Krise nicht mehr und auch die Wissenschaftler waren zunächst ratlos. Patentrezepte fehlen nicht nur der Politik. Der steigende Druck der Märkte etwa auf italienische Staatsanleihen vergrößert die Gefahr, entweder in der gemeinschaftlichen Haftung der Euro-Länder für Wackelkandidaten zu landen oder aus der monetären Staatsfinanzierung endgültig nicht mehr herauszukommen. Dies zeigen die anhaltenden Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank und die Debatte über eine Banklizenz für den Euro-Rettungsfonds EFSF.
Doch ist das Modell vom Reißbrett der wirtschaftswissenschaftlichen Denker für die politische Realität gemacht? Ein Finanzierungsfonds, der auf Zeit angelegt ist und sich am Ende selbst abschafft, ist zumindest hierzulande eher die Ausnahme als die Regel. Die Koppelung der Zinsvergünstigung durch den Fonds an finanzpolitische Solidität ist theoretisch gut, aber welche Institution soll über die Einhaltung befinden? In Europa fehlte es schon an Respekt gegenüber dem Stabilitätspakt.
Oder gibt es dann eine Troika für alle? Was macht ein Land, das aus dem System mangels Disziplin wieder herausfliegt? Das Erpressungspotenzial gegenüber denjenigen, die die Eurozone intakt halten wollen, bleibt bestehen. Die Wirtschaftsweisen haben den Schuldentilgungspakt zur Diskussion stellen wollen. Er wird noch deutlich mehr Diskussion brauchen.
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