Börsen-Zeitung: Dann bitte ohne uns, Kommentar zur Euro-Schuldenkrise von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Erstens sollte man nicht jedem Gerücht Glauben schenken (jedem Dementi freilich auch nicht). Und zweitens hat Präsident Jens Weidmann nach ganz offiziellen Angaben am Donnerstagmittag in der Bundesbank Hühnerbrust und Karotten verspeist, statt an dem kolportierten Krisentreffen teilzunehmen, das angeblich zur selben Stunde bei der Europäischen Zentralbank (EZB) stattfinden sollte - um den ultimativen Tabubruch zu beschließen und zu verkünden: unbegrenzte Käufe italienischer (und ein paar anderer) Staatsanleihen.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass es dieses Beschlusses und seiner Verkündung gar nicht mehr bedürfe, so wuchtig, wie die "Hüter des Euro" schon jetzt auf der Käuferseite des Marktes unterwegs sind. In diesen Tagen dürfte das Gesamtvolumen ihrer Käufe von Anleihen der fünf im Blickpunkt stehenden Schuldnerstaaten die Marke von 200 Mrd. Euro übersteigen. So schafft man Fakten.
Offenbar hat der Entscheidungskampf begonnen: zwischen Währungs- und Stabilitätswächtern, die - bei allem der Krise geschuldeten Pragmatismus und bei aller schon nachgewiesenen Kompromissbereitschaft - ihren Auftrag noch ernst nehmen, und jenen, denen die Feuerkraft keiner Bazooka groß genug sein kann, um im Zweifelsfall auch um den Preis von Hyperinflation und deren Folgen zu retten, was vielleicht gar nicht mehr zu retten ist. Es hat den Anschein, dass dabei das Lager der Prinzipienlosen, die die Kapitulation der EZB vor vermeintlichen Marktzwängen und somit das Hochfahren der Notenpresse fordern und erwarten, enormen Zulauf erfährt: von den Finanzmärkten selbst sowieso, aber auch aus der Politik und von bemerkenswert vielen Kommentatoren.
Derweil droht die Bundesbank, auch wenn sie sich noch der wohl überwiegenden Unterstützung der deutschen Öffentlichkeit und Medien erfreut, fast schon in die Isolation zu geraten. So skrupellos, wie die Euro-Retter auch in der deutschen Politik sich über Wortlaut und Geist völkerrechtlicher Verträge hinwegsetzen und - mitunter laut - über bisher Undenkbares nachdenken, darf man sich ja nicht mal sicher sein, dass sich die Bundesregierung, wenn es darauf ankäme, schützend vor die Bundesbank stellen würde.
Überall werden mit erschreckender Leichtfertigkeit und teilweise auch Ahnungslosigkeit die langfristigen Folgen der Anleihenkäufe relativiert und Inflationsgefahren heruntergespielt. Es wird höchste Zeit, dass Berlin den europäischen Partnern die unmissverständliche Botschaft schickt: Wenn Ihr so eine Währungsunion wollt, dann ohne uns.
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