Börsen-Zeitung: Zu viel, zu schnell, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Nach dem miserablen Börsenjahr 2011 präsentieren sich die Aktienmärkte derzeit in einer ungewöhnlich positiven Verfassung. Der Dax hat seit Jahresbeginn fast 9% zugelegt. Es handelt sich damit um einen der besten Jahresauftakte, den der deutsche Leitindex seit Langem gesehen hat. In der gerade beendeten Börsenwoche lief es besonders gut: Die deutschen Standardwerte haben sich im Schnitt um 4% verteuert.
Die Anleger reagieren darauf, dass sich die Lage in der Tat an mehreren Fronten verbessert hat. So haben die Anleger bis zum Freitag deutliche Fortschritte in den Gesprächen um die Beteiligung privater Gläubiger - also von Banken und Hedgefonds - an einer geordneten Umschuldung Griechenlands ausgemacht. Es sieht also danach aus, dass sich die europäische Schuldenkrise langsam zum Besseren wendet. Dafür spricht auch, dass die jüngsten Bondmarktauftritte der Schuldenländer und anderer europäischer Staaten gut über die Bühne gegangen sind, wobei die Investoren derzeit mit zum Teil deutlich niedrigeren Renditen zufrieden sind. Österreich hat es trotz des Verlusts seines Triple-A-Ratings von Standard & Poor's (S & P) sogar geschafft, ultralang laufende Anleihen zu platzieren, die erst in 50 Jahren fällig werden. Zumindest diejenigen Investoren, die die Anleihe gezeichnet haben, sind also davon überzeugt, dass es trotz aller Turbulenzen in der Eurozone sowie im angrenzenden Ungarn in 50 Jahren noch einen zahlungsfähigen österreichischen Staat geben wird. Ob es eine solche Einschätzung einer größeren Zahl von Investoren auch schon vor einigen Wochen gegeben hätte, darf bezweifelt werden. Die Rating-Herabstufung gleich von neun europäischen Ländern und des Rettungsschirms European Financial Stability Facility (EFSF) durch S & P hat jedenfalls an den Märkten kaum Eindruck gemacht.
Vom Tief abgesetzt
Dies ist auch am Euro abzulesen, der zum Wochenausklang oberhalb von 1,29 Dollar steht. Von dem kürzlich durchlaufenen Siebzehnmonatstief von nur noch knapp oberhalb von 1,26 Dollar hat er sich jedenfalls wieder deutlich abgesetzt. Viele Akteure am Devisenmarkt sind nervös geworden und haben ihre Leerverkaufspositionen auf den Euro daher mit Eindeckungen abgesichert.
Gelichtet haben sich zumindest teilweise auch die dunklen Wolken, die die konjunkturellen Perspektiven verdüsterten. In China, auf das die Blicke vieler Marktteilnehmer gerichtet sind, ist von einer harten Landung nichts zu erkennen. Der deutsche ZEW-Index verzeichnete den stärksten Anstieg seit seiner Einführung im Jahr 1991 - was bemerkenswert ist, auch wenn sich einwenden lässt, dass der Index lediglich aus den Befragungen von 400 Analysten und institutionellen Investoren errechnet wird und damit nicht aus "harten" Konjunkturdaten. Er lässt aber auf eine erfreuliche Entwicklung bei dem bedeutenderen Ifo-Geschäftsklimaindex hoffen, der am Mittwoch veröffentlicht wird. Auch aus den USA gibt es Signale, die zuversichtlicher stimmen. So ist die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung auf den niedrigsten Stand seit 2008 gefallen.
Korrekturpotenzial
Allerdings darf man sich fragen, ob die Erholung an den Märkten nicht ein wenig zu schnell gegangen und ein wenig zu stark ausgefallen ist. Insbesondere bei Aktien könnte daher Korrekturpotenzial besteht. Die Lage ist nämlich nicht ganz so rosig, wie sie derzeit erscheint. So ist die konjunkturelle Erholung zum größten Teil den enormen Liquiditätsspritzen der Notenbanken geschuldet. Zudem sind die Risiken bezüglich Griechenland nach wie vor hoch. Noch immer gibt es keine nachhaltige Lösung der Schuldenkrise. Und auch Ungarns störrische Regierung könnte in den kommenden Monaten noch für Turbulenzen sorgen.
Verschlechterung erwartet
Und was die Quartalssaison betrifft, so gehen die Analysten der DZ Bank davon aus, dass sich das Klima zum Höhepunkt der Saison per Ende Februar wieder verschlechtern wird. Insofern rechnen die Experten trotz der günstigen Bewertungen von Dax und Euro Stoxx 50 nicht mit einer weiteren kräftigen Aufwärtsbewegung der beiden Indizes. Den Dax sehen sie per Mitte 2012 bei 6250 Punkten - also unterhalb des aktuellen Niveaus. Anleger sind also gut beraten, die aktuell sehr gute Stimmung an den Märkten kritisch zu hinterfragen und sich auf eine anstehende Korrektur vorzubereiten.
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