Börsen-Zeitung: Stumpfes Schwert, Kommentar zum von der Europäischen Union gegen den Iran verhängten Ölembargo, von Dieter Kuckelkorn.
Frankfurt (ots)
Nun also hat die Europäische Union das bereits seit längerem diskutierte Ölembargo gegen den Iran verhängt. Damit hat sich die EU über Bedenken des stark von iranischen Lieferungen abhängigen Griechenland hinweggesetzt. Der britische Außenminister William Hague hat zwar von einem "beispiellosen Sanktionspaket" gesprochen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass der Druck, der mit den Maßnahmen auf den Iran und dessen Atomprogramm ausgeübt wird, ziemlich gering ist. Es handelt sich eher um ein stumpfes Schwert, mit dem die Europäer herumfuchteln.
Dies wird schon daran deutlich, dass die Maßnahmen erst zum 1. Juli vollständig in Kraft treten sollen. Bequemer kann man es dem Iran eigentlich nicht machen. Das Land, das mit einer Förderung von 2,5 Mill. Barrel pro Tag zu den großen Produzenten gehört, liefert bislang bereits 60% seiner Mengen nach Asien, nur 20% gehen in die EU. In dem halben Jahr, das bis zur vollen Wirksamkeit der EU-Beschlüsse vergehen soll, dürfte es der iranischen Ölindustrie gelingen, für den Großteil des auf Europa entfallenden Absatzes neue Kunden zu finden. So ist beispielsweise China äußerst zurückhaltend, was die Unterstützung der Sanktionen betrifft. Es ist nicht weit hergeholt anzunehmen, dass das Reich der Mitte bei Bedarf stärker auf iranisches Öl zurückgreifen würde.
Mit Blick auf die globale Konjunktur ist indes zu begrüßen, dass die EU ihre Sanktionen behutsam umsetzt. Ein Ölpreisschock ist das Letzte, was die europäischen Volkswirtschaften und auch die USA derzeit brauchen können. Die für Europa erwartete leichte Rezession würde sich infolge einer solchen Entwicklung zweifellos deutlich verschärfen.
Wegen der nur moderaten Auswirkungen ist auch nicht zu erwarten, dass sich die iranische Führung durch das europäische Ölembargo derart provoziert führt, dass sie die Straße von Hormus mit ihren Seestreitkräften sperrt und einen Krieg mit den USA riskiert. Durch die Meeresenge werden immerhin 20% des weltweit benötigten Öls transportiert, eine Blockade würde daher für einen enormen Ölpreisschock sorgen.
Somit lässt sich eigentlich nur ein Staat identifizieren, der von dem Embargo getroffen wird: Griechenland. Das hoch verschuldete südeuropäische Land lässt sich in größerem Umfang vom Iran beliefern, weil die Iraner bereit sind, Athens Ölschulden zu stunden. Die Griechen werden ihr gesamtes Öl ab dem Sommer sofort bezahlen müssen.
(Börsen-Zeitung, 24.1.2012)
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