Börsen-Zeitung: Bettvorleger des Drachen, Kommentar zu Apple von Sebastian Schmid
Frankfurt (ots)
Wer wissen will, wie mächtige Konzerne binnen kürzester Zeit zur Räson gerufen werden können, muss in die Ferne blicken. Die Geldstrafen aus dem nahen Brüssel haben in der Vergangenheit jedenfalls meist erst nach einem langwierigen Verfahren das Verhalten verändert. Schnelle Schuldeingeständnisse sind hier selten. China hat Apple derweil mit den Methoden einer zentral gelenkten Diktatur binnen zwei Wochen auf die Knie gezwungen. In dieser Zeit sah sich der teuerste börsennotierte Konzern der Welt einem Sperrfeuer der Kritik aus staatlichen Medienorganen ausgesetzt, das erst mit einem Entschuldigungsbrief des CEO Tim Cook und Zugeständnissen im Verbraucherservice zumindest vorübergehend gestoppt werden konnte.
Die weitgehende Kontrolle des Medienapparats durch die Regierung in Peking ist allerdings nur einer der Gründe, warum Apple so schnell einlenken musste. China ist für den iPhone-Anbieter längst zum wichtigen Wachstumsmotor geworden. Eine Halbierung der Erlöse im Reich der Mitte, wie sie Hewlett-Packard im PC-Geschäft vor wenigen Jahren wegen einer ähnlichen Kritikwelle hinnehmen musste, kann sich Apple nicht leisten.
Die kurze Machtdemonstration aus Peking sollte allerdings nicht nur Apple und deren Anleger nervös machen. Zahlreiche westliche Firmen, darunter etwa die deutschen Autobauer, verlassen sich zunehmend auf Wachstum in Fernost. Zumal in Zeiten, in denen das Europageschäft schwächelt. Einen ersten Vorgeschmack auf möglichen Gegenwind haben die deutschen Autobauer bereits bekommen. Das chinesische Staatsfernsehen warf Daimler, BMW und Audi vor, giftige Dämmstoffe im Fahrzeuginnenraum einzusetzen. VW rief fast 400000 Fahrzeuge "freiwillig" zurück, nachdem das Staatsfernsehen über Getriebeprobleme und unzufriedene Kunden berichtet hatte. Sicher, die Kritik an Apple fiel heftiger aus. Auch ist der Vorwurf, dem iPhone-Anbieter mangele es an Kommunikationsbereitschaft, keine chinesische Erfindung. Die Auseinandersetzung zeigt jedoch, dass missliebige Konzerne von Chinas Medien dank der staatlichen Dominanz bei Kunden leicht in Misskredit gebracht werden können. Das kann Milliarden an Umsatz kosten und ist weit teurer als etwa eine EU-Strafe. Der Fall Apple dient daher auch als Warnung für Freunde der Fernostexpansion. Der Drache faucht nicht nur, er kann auch Feuer speien. Selbst ein Konzern wie Apple droht dann schnell zu dessen Bettvorleger zu mutieren.
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