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Börsen-Zeitung: Ziemlich defizitverfahren, Kommentar zu den länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission, von Detlef Fechtner.

Frankfurt (ots)

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch ihr Spitzenpersonal gleich in Mannschaftsstärke ins Rennen geschickt, um eine eindrucksvolle Demonstration für die wirtschaftspolitische Koordination in der EU abzuliefern. Die Botschaft: Gemeinsam gelingt der Weg aus der Krise.

Wenige Stunden später hat Frankreichs Präsident François Hollande dieses fein inszenierte Bild mit wenigen brüsken Bemerkungen zerstört. Frankreichs Regierung, so wurde Hollande zitiert, lasse sich nicht diktieren, welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen sie ergreifen müsse. Diese geradezu motzige Reaktion war töricht. Denn Hollande hat mit dem rüden Ton jedes Vertrauen in die Funktionsfähigkeit europäischer Abstimmungen über Wirtschaftspolitik wieder zerstört. Was nutzen Six Packs und länderspezifische Empfehlungen, wenn Hollande erklärt, dass ihm alle Rat- und Vorschläge aus Brüssel angeblich schnuppe sind?

Allerdings wäre es auch ohne den Zwischenruf Hollandes naiv gewesen zu glauben, die EU könne die Umsetzung der Aufgabenlisten aus Brüssel erzwingen. Nein, nicht umsonst heißen sie "Empfehlungen". Im Durcheinander zwischen Defizitverfahren, Ungleichgewichtverfahren und Anpassungsprogrammen für Krisenländer unter dem Euro-Schirm gerät durcheinander, dass es keine einheitliche Wirtschaftspolitik gibt, sondern nach wie vor nur eine Abstimmung nationaler Wirtschaftspolitik - und zwar unverbindlich. Die länderspezifischen Empfehlungen sind eben gerade keine Troika-Berichte. Und ein Defizitverfahren hat eben längst nicht die Konditionalität eines Hilfspakets. Das hat sich jetzt an den vielen Fristverlängerungen gezeigt. Griechenland oder Portugal spüren die Knute viel härter als Belgien oder Frankreich, die in Defizitverfahren stecken.

Ehrlich gesagt: Die Verfahren sind selbst ziemlich verfahren, die Regelauslegung ist nur schwer nachvollziehbar. Auch daher ist die Vorstellung, der Pakt liefere einen ökonomisch robusten und jeder politischen Einflussnahme entzogenen Maßstab, damit EU-Volkswirte Länder mit überhöhten Defiziten zu Wirtschaftsreformen zwingen können, eine Illusion - übrigens erfreulicherweise. Sie verkennt den Charakter der Übung, der sich die EU gerade unterzieht. Es geht um Ratschläge unter Gruppendruck. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Denn diese Koordinierung kann durchaus einen Beitrag dazu leisten, Reformen in Ländern voranzutreiben. Schließlich ist selbst Frankreich längst nicht so immun gegen Kritik und Forderungen seiner Nachbarn, wie es Hollande vorgibt.

(Börsen-Zeitung, 31.5.2013)

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