Börsen-Zeitung: Kaum zu fassen, Kommentar zu den Regulierungsbemühungen der EU-Kommission, von Detlef Fechtner.
Frankfurt (ots)
In Brüssel erzählen EU-Beamte, dass ziemlich genau fünf Jahre nach dem Lehman-Kollaps noch nicht alle Wertpapiere eindeutig zugeordnet werden könnten. Weiterverwendung, Weiterverpfändung - die Rede ist von "dynamischen Ketten von Sicherheiten, in denen dasselbe Wertpapier mehrmals weitergegeben wird, häufig unter Beteiligung von Akteuren aus dem Schattenbankensystem".
Dass schlichte Fragen wie "Wem gehört was?" und "Wer trägt welches Risiko?" Jahre nach einer Bankpleite nicht zu beantworten sind, ist kaum zu fassen. Doch das gilt auch für die, um die es geht: Die Schattenbanken selbst sind ebenfalls kaum zu fassen - zumindest für den Gesetzgeber. Er steht schon bei überschaubaren Vorhaben vor großen Herausforderungen - etwa bei der Umsetzung der Kennung juristischer Personen oder bei der exakten Begriffsbestimmung von "Kredit" oder "Einlage". Was aber ist dann erst bei Vorhaben wie der Beschränkung des Einsatzes von Sicherheiten oder der Risiken bei Pensionsgeschäften und Wertpapierleihen zu erwarten? Das klingt nach Herkulesaufgaben.
Einen Vorgeschmack bietet die Regulierung der Geldmarktfonds. Man möchte meinen, dass das noch eine der leichtesten Übungen sein sollte. Aber schon bei der Vorlage des Gesetzesentwurfs bauen sich politische Fronten auf: zwischen Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern, zwischen Deutschland und Luxemburg. Und die Argumente sind nicht einmal einfach von der Hand zu weisen.
So betont die EU-Kommission, dass Fonds mit Werthaltigkeits-Versprechen wichtig als Geld-Parkplatz für Firmen sind, die in zwei Wochen Gehälter auszahlen müssen - und daher kein Risiko von Einbußen eingehen können. Auch lässt sich trefflich darüber streiten, ob ein Drei-Prozent-Puffer für Fonds, die viel Geld in nullgewichtete Staatsanleihen stecken, unterm Strich den Kapitalanforderungen von Banken entspricht - oder nicht. Andererseits ist auch nachvollziehbar, dass Aufseher auf einen Abschied von festen Anteilswerten drängen, nachdem in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Fonds auf Finanzspritzen von Banken angewiesen waren.
Dass sich Brüssel die Schattenbanken vorknöpft, ist zwar völlig richtig. Schließlich ist die Gefahr augenscheinlich, mit jeder neuen Regulierung traditioneller Institute den Anreiz zu steigern, Aktivitäten in den Schatten zu verlagern - und das kann wirklich nicht gewollt sein. Niemand sollte sich aber Illusionen machen. Die Regulierung der Schattenbanken wird ein langes und zähes Unternehmen.
(Börsen-Zeitung, 5.9.2013)
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