Börsen-Zeitung: Schlappe für Brüssel, Kommentar zum VW-Gesetz von Carsten Steevens
Frankfurt (ots)
Nach elf Jahren ist der Streit der EU-Kommission mit Deutschland um das VW-Gesetz zu Ende. Die Brüsseler Behörde will das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, mit dem eine Klage wegen angeblich unvollständiger Umsetzung einer ersten Entscheidung von 2007 zurückgewiesen wurde, akzeptieren. Diese Reaktion auf ein Vertragsverletzungsverfahren, in dessen Verlauf monierte Verstöße von Regelungen des VW-Gesetzes gegen das Gebot der EU-Kapitalverkehrsfreiheit untersucht wurden, ist bemerkenswert: In einem spektakulären Fall gibt die Kommission klein bei. Eine formidable Schlappe.
Dabei zeigt nicht zuletzt der nahezu unveränderte Kurs der VW-Aktie am Dienstag, dass es überraschender gewesen wäre, wenn der Gerichtshof das VW-Gesetz gekippt hätte. Das höchste EU-Gericht ist, was es im Regelfall tut, einer Empfehlung des Generalanwalts gefolgt. Dieser hatte sich Ende Mai nach einer Gesetzesnovelle, mit der Deutschland Ende 2008 zu Recht und klugerweise kritisierte Bestimmungen zu den Entsenderechten der öffentlichen Hand und zur Beschränkung des Stimmgewichts jedes Anteilseigners in Hauptversammlungen (HV) auf maximal 20% aufhob, der von deutscher Seite vertretenen Interpretation des ersten Urteils angeschlossen. Die Vorgaben seien nur in ihrer Verbindung miteinander gerügt worden, nicht an und für sich.
Somit haben die unveränderten Bestimmungen des VW-Gesetzes zur erhöhten Sperrminorität, die für die EU-Kommission eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen, Bestand. Wichtige HV-Beschlüsse werden auch künftig eine Zustimmung von 80% plus eine Aktie erfordern. Gegen das Aktiengesetz wird damit nicht verstoßen, denn dieses gibt zwar eine Quote von 75% vor, lässt aber auch Abweichungen zu. VW ist dabei in Deutschland kein Einzelfall. Im Fall Volkswagen ist aber wohl zu betonen, dass die Sperrminorität für alle Aktionäre gilt, nicht nur für einen bestimmten. Zudem werden die Bestimmungen durch die umfangreichere hauseigene Satzung gedeckt. Auf diese verständigten sich neben Niedersachsen zuletzt 2009 mit Porsche und dem Emirat Katar auch zwei Großinvestoren, die ihre Beteiligungen eingingen, als die Kommission schon wegen bemängelter Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit gegen Deutschland vorging.
Auf die Satzung hat die Entscheidung zum VW-Gesetz, das seit 1960 vor allem den Beschäftigten in Deutschland Sicherheit gibt, keinen Einfluss. Deutschland bleiben zudem finanzielle Sanktionen erspart. Ein guter Tag - nur nicht für Brüssel.
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