Börsen-Zeitung: Fugen-s-Regulierung, Kommentar zu Investmentfonds von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Besteht ein Investmentfonds aus "Anteilklassen" oder aus "Anteilsklassen"? Frag nach bei der BaFin! Die Finanzaufsicht scheint neuerdings auf Kosten der Finanzmarktakteure und damit indirekt zulasten der Anleger ehemalige Deutschlehrer zu beschäftigen, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzen, auf deren ultimative Beantwortung die Menschheit seit Jahrhunderten gewartet hat. So kann die Tragweite des vor allem aus "Bratskartoffeln" bekannten Fugen-s nicht ernst genug genommen werden, war doch schon die im Grundgesetz verankerte "verfassungsgebende Gewalt" Gegenstand leidenschaftlicher Diskussionen in Regierung und Parlament.
Nun endlich ist das brisante Thema in der Finanzmarktregulierung angekommen. Während die "verfassungsgebende Gewalt" (und dortselbst auch - eindeutig falsch - "das Deutsche Volk") bis heute allen sprachpuristischen Attacken getrotzt hat, zieht die BaFin couragiert gegen die "Anteilsklassen" zu Felde und kennt dabei kein Pardon. Wo kämen wir hin, wenn jeder Fondsanbieter ad libitum mit dem Fugen-s herumfuhrwerken dürfte! Wagt es also eine bisherige Kapitalanlagegesellschaft (KAG), in ihrem per Kleintransporter - den braucht es für Dutzende Ordner mit Zehntausenden Seiten Papier - zur BaFin beförderten Lizenzantrag als Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) das Fugen-s zu verwenden, kommt der Antrag zurück, und die Zulassungsfrist läuft von vorn. Eine Übermittlung auf elektronischem Wege, per Internet oder USB-Stick, wird übrigens nicht akzeptiert - Neuland!
Die Verbannung der "Anteilsklassen" ist mitnichten das einzige Beispiel einer realsatirischen Aufsichtspraxis, die als Korinthenkackerei noch wohlwollend umschrieben wäre. Nur ein weiteres Exempel: Auch unterschiedliche Farben im Word-Änderungsmodus (weil mehrere Bearbeiter ein Dokument in der Mache hatten) goutiert die BaFin nicht. Welch Wunder, dass schon 3 - in Worten: drei - der 78 Mitgliedsgesellschaften des Fondsverbandes BVI die nach dem neuen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) erforderliche KVG-Zulassung erhalten haben.
Man kann einen Finanzplatz auch kaputtregulieren und eine für die Volkswirtschaft elementare und erfolgreiche Branche am Wachstum hindern oder sogar vertreiben. Soweit 355 KAGB-Paragrafen dafür nicht ausreichen, lässt sich gewiss mit einer exzessiv bürokratisch-formalistischen Rechtsauslegung und -anwendung nachhelfen. Da sind wir auf einem guten Weg. In Luxemburg können sie sich vor Lachen über die deutschen Regulierungsmusterschüler (mit Fugen-s!) gar nicht mehr einkriegen.
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