Börsen-Zeitung: Griechenland hoch zwei, Kommentar zur Ukraine von Detlef Fechtner
Frankfurt (ots)
Hand aufs Herz: Im Grunde war es ja zuletzt geradezu verdächtig ruhig in Sachen Staatsschuldenkrise. Italiens Risikoprämie auf Talfahrt, Spaniens Rating in der Aufwärtsbewegung, Irland problemlos zurück an den Märkten - und selbst aus dem Krisen-Griechen-Land drangen zuletzt erfreuliche Nachrichten über Primärüberschüsse. Fast hätte man auf den Gedanken kommen können, Europa könne den Krisenmodus hinter sich lassen. Weit gefehlt.
Schließlich hängt das Schicksal der EU nicht nur an der Schuldenquote Griechenlands oder der Konkurrenzfähigkeit Spaniens, sondern auch an Entwicklungen jenseits der Außengrenzen - insbesondere in den direkten Nachbarstaaten. Gerade jüngst ist anschaulich geworden, dass dies, wenn auch in ganz anderem Zusammenhang, etwa für die Schweiz gilt. Und natürlich für die Ukraine. Was zwischen Lemberg und Donezk geschieht, hat erhebliche Weiterungen für die EU. Nicht nur wegen der Rolle als Transitland für russische Gaslieferungen, auf die der Westen angewiesen ist. Nicht nur wegen der militärischen Gefahr, die automatisch von einem Land ausgeht, das den Hauptstützpunkt der Schwarzmeerflotte beheimatet. Und nicht nur wegen der Ansteckungsgefahren für Moldau, Georgien und andere Länder.
Ein ukrainischer Staatsbankrott hätte ernste Folgen für den Westen. Deshalb bieten EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) völlig zu Recht finanzielle Hilfe an. Allerdings ist die Aufgabe dieses Mal unglaublich vertrackt. Erstens ist absehbar, dass die notwendige Erneuerung der Wirtschaft viele Jahre oder gar Jahrzehnte brauchen wird. Denn in der "Kornkammer" der ehemaligen Sowjetunion gibt es wenig außer Landwirtschaft und Schwerindustrie. Vor allem fehlt es an Mittelständlern. Zweitens wird sich jeder Geldgeber unbeliebt machen, der als Gegenleistung ein Ende der immensen Subventionierung von Gas für ukrainische Haushalte verlangt - was aber sein muss. Drittens wird es eine heikle Gratwanderung, der Ukraine eine Annäherung an die EU zu ermöglichen, ohne Russland zu brüskieren. Kurzum: Die Kunst besteht darin, ein wirtschaftspolitisch in die Sackgasse geratenes, wie kein anderer europäischer Staat von Korruption befallenes und bettelarmes Land vor der Pleite zu retten und gleichzeitig Reformen zu erzwingen - und zwar in Einvernehmen mit dem IWF, denn sonst reicht das Geld nicht. Und in enger Absprache mit Russland, denn sonst droht das Land auseinanderzureißen. Dagegen war die Rettung Griechenlands ein Kindergeburtstag.
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