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Börsen-Zeitung: Stolz und Vorurteil, Kommentar zu Griechenland von Detlef Fechtner

Frankfurt (ots)

Die Griechenland-Saga erinnert an Geschichten, wie sie sich vor zwei Jahrhunderten die britische Edelfeder Jane Austen ausgedacht hat. Denn deren Bestseller - "Verstand und Gefühl" oder "Stolz und Vorurteil" - handeln vom steten Wechsel zwischen Annäherung und Brüskierung - im Kern also von Akteuren, die sich im Spannungsfeld gestelzter Distanz und partnerschaftlicher Abhängigkeit schwer miteinander tun. Ziemlich so wie Griechenland und seine Euro-Partner.

Spätestens der gestrige Tag hat davon Anschauungsunterricht gegeben: Im Stundentakt schlug eine Seite etwas vor und die andere etwas aus. Dabei drängte sich der Eindruck auf, dass es längst nicht mehr um die Frage geht, was für Bürger und Volkswirtschaften gut ist. Sondern darum, was den handelnden Personen in der ersten Reihe hilft, ihr Gesicht zu wahren und die Schuld fürs Scheitern auf der anderen Seite des Verhandlungstischs abzuladen. Kurzum: Der gestrige Tag schien vom Wettlauf geprägt, selbst das letzte Angebot vorzulegen, um den Gesprächspartner als Neinsager bloßzustellen und den Schwarzen Peter noch rasch weiterzureichen.

Tragischerweise ist damit zu rechnen, dass es auch beim Referendum am Sonntag - wenn es denn tatsächlich stattfinden sollte - nicht um rationale Argumente für einen Verbleib im Euro oder gegen Sparauflagen der Kapitalgeber geht, sondern ebenfalls um Gefühle. Um viel Stolz. Und um viele Vorurteile.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat daher völlig recht, wenn er sich an die Bürger in Hellas wendet und sie auffordert, gegen die Empfehlung ihrer Regierung zu stimmen. Wer darin eine unlautere Einmischung in innere Angelegenheiten des griechischen Volkes entdeckt oder sich gar über mangelnden Respekt vor Griechenland beschwert, hat das Prinzip demokratisch verfasster Staaten missverstanden. Selbstverständlich dürfen die Griechen entscheiden, ob sie im Euro bleiben oder zur Drachme zurückkehren. Aber jedem Euro-Partner ist es unbenommen, Ratschläge zu machen oder Warnungen auszusprechen - erst recht, um manche schrägen Darstellungen der Athener Regierung geradezurücken. Immerhin hat die ganze Sache ja erhebliche Auswirkungen auf alle anderen Europäer.

Anders ausgedrückt: Wer findet, dass das alles eine ausschließlich griechische Angelegenheit ist, der darf nicht andererseits ständig milliardenschwere Solidarität einfordern. Schließlich ist Solidarität nichts anderes als eine besonders massive Form der Einmischung.

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