Börsen-Zeitung: Geschlossene Gesellschaft, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots)
Derzeit kann man schon fast den Eindruck gewinnen, dass es sich bei den Aktienmärkten um eine "geschlossene Gesellschaft" handelt. Bis einschließlich zum Beginn der neuen Woche ist die Börse in Athen, aber zu einem großen Teil auch der Handel griechischer Aktien und Anleihen im Ausland geschlossen. In China haben die Behörden angesichts des Crashs im Reich der Mitte den Handel in einem großen Teil der Aktien an den Festlandbörsen in Schanghai und Shenzhen ausgesetzt. Die New York Stock Exchange wurde am Mittwoch durch eine technische Panne stundenlang lahmgelegt.
Trotz der Turbulenzen, die nicht nur die Aktien-, sondern auch die Devisen-, Anleihen- und Rohstoffmärkte erfassten, sowie der enormen Unsicherheiten, die weiterhin von China und Griechenland ausgehen, stand die Woche für den Dax unter positiven Vorzeichen. Die zweitägige Erholung an Chinas Börsen und die sich verstärkenden Hoffnungen auf eine Entschärfung der Griechenland-Krise stoppten vorerst die Talfahrt des Index. Am Mittwoch bis auf 10.653 gefallen, was im Vergleich zum Rekordhoch von 12.391 Zählern vom 10. April ein Minus von 1740 Punkten bzw. 14% bedeutete, erholte sich der Index, ausgehend vom Tief, bis zum Wochenschluss um bis zu 6,4%. Zuletzt lag er mit einem Wochenplus von 2,3% bei 11.316 Zählern.
Weitere unruhige Wochen
Selbst im Falle einer nachhaltigeren Entspannung der Lage in Griechenland und an den chinesischen Börsen drohen dem Aktienmarkt jedoch weitere unruhige Wochen. Gerade bricht die Quartalsberichtssaison in den USA an, was angesichts der Sorgen darüber, dass der Aufschwung der amerikanischen Unternehmensgewinne ausgelaufen sein könnte, für Spannung sorgt. Zudem rückt die erste Leitzinserhöhung der Fed näher, was ebenfalls für zumindest vorübergehende Unruhe an den Märkten rund um den Globus sorgen könnte. Kurzum: Es bleibt noch abzuwarten, ob der Dax bei 10.653 Punkten den Tiefpunkt seiner seit ziemlich genau drei Monaten anhaltenden Talfahrt erreicht hat.
Die Commerzbank ist zumindest für die Berichte der Dax-Unternehmen zuversichtlich. "Die Ergebnisse der deutschen Unternehmen dürften im zweiten Quartal weiter vom schwachen Euro - insbesondere gegenüber dem US-Dollar - profitiert haben. Folglich dürften die Analysten ihre Erwartungen für das Umsatzwachstum der Dax-Unternehmen - derzeit rechnen sie für die nächsten zwölf Monate im Durchschnitt mit einem Plus von etwa 5% - weiter nach oben revidieren." Trotz des leichten Anstiegs in den vergangenen Monaten habe der Euro zum Dollar im zweiten Quartal immer noch 19% unter seinem Niveau vom zweiten Quartal 2014 gelegen. Zum Teil werde der positive Effekt des schwachen Euro durch das nachlassende Wachstum in den Schwellenländern neutralisiert. Immerhin betrage der durchschnittliche Anteil der asiatischen Emerging Markets am Umsatz der Dax-Unternehmen bereits über 18%. "Trotzdem sollten insbesondere Dax-Unternehmen wie K+S, Bayer, Linde, Infineon und Daimler weiterhin vom schwachen Euro profitieren."
Zenit überschritten
Skeptisch ist die Helaba, die für das dritte Quartal mit einem Absinken des Dax auf 10.300 Punkte rechnet. Trotz der Korrektur der vergangenen Wochen seien Aktien noch immer nicht wirklich attraktiv bewertet. Dies und die näher rückende US-Zinswende - sofern die Fed nicht doch kneife - drückten das Potenzial bei Aktien. So zeige die Historie, dass der S&P 500 in Zinserhöhungsphasen in der Regel die geringsten Kurszuwächse verbucht habe. Während Aktien in früheren Zyklen in den ersten Monaten nach der ersten Zinserhöhung aber oft noch zugelegt hätten, würden sich die Bremswirkungen diesmal möglicherweise früher bemerkbar machen. "Denn anders als in der Vergangenheit würden die negativen Effekte höherer Zinsen diesmal nicht durch dynamisches Gewinnwachstum überkompensiert." Vielmehr scheine der US-Gewinnzyklus seinen Zenit bereits überschritten zu haben. Die Nettoergebnisse der S&P-500-Unternehmen seien in den beiden letzten Quartalen bereits rückläufig gewesen. Auch bei in den kommenden Wochen zur Veröffentlichung anstehenden Zwischenberichten werde sich wohl erneut ein Rückgang gegenüber dem Vorjahresquartal einstellen. Der Konsens gehe von einem Rückgang um 6,5% aus. Zwar reduziere sich angesichts der zurückgeschraubten Erwartungen die Gefahr von bösen Überraschungen. Ob dies allerdings schon ausreiche, um Aktien neuen Schwung zu verleihen, sei fraglich.
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